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Der Todeswirbel

Der Todeswirbel

Titel: Der Todeswirbel
Autoren: Agatha Christie
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Bruder auf. Ich wäre an seiner Stelle sicher auch ungehobelt, ging es ihr durch den Kopf.
    »Wie heißt er denn?«
    »Hunter. David Hunter«, gab die Mutter Auskunft. »Es scheinen Iren zu sein. Natürlich keine Familie, von der man jemals gehört hat. Sie war verwitwet und hieß Mrs Underhay. Es liegt mir nichts ferner, als hartherzig zu sein, aber man muss sich doch fragen, was für eine so n derbare Witwe das ist, die mitten im Krieg von Südamer i ka dahergereist kommt. Unwillkürlich folgert man daraus, dass sie herumreiste, um sich einen reichen Gatten einz u fangen.«
    »Was ihr – wenn du Recht haben solltest – ja auch g e lungen ist«, bemerkte Lynn.
    Mrs Marchmont seufzte.
    »Dabei war Gordon stets so auf der Hut. Nicht, als ob die Frauen nicht stets hinter ihm her gewesen wären. E r innerst du dich noch an diese letzte Sekretärin? Mein Gott, wie hat sich das Mädchen an ihn gehängt. Sie war sehr tüchtig, aber er musste sie sich vom Hals schaffen.«
    »Vermutlich gibt es früher oder später immer ein W a terloo.«
    »Zweiundsechzig ist eben ein gefährliches Alter«, fuhr Mrs Marchmont fort. »Und in Kriegszeiten, scheint mir, ist alles besonders schwierig vorauszusehen. Ich kann dir nicht schildern, welche Aufregung sein Brief aus New York bei uns auslöste.«
    »Was hat er denn eigentlich geschrieben?«
    »Der Brief war an Frances adressiert. Ich denke, weil Gordon für Frances’ Erziehung gesorgt hatte, hielt er sie für am ehesten verständnisbereit. Er schrieb, wir würden sicher alle sehr überrascht sein, dass er sich so plötzlich wieder verheiratet habe, aber er sei sicher, dass wir sehr bald Rosaleen – was für ein verrückter Name, findest du nicht? So theatralisch! –, also dass wir sie bald lieb gewi n nen würden. Sie hätte ein schweres Leben gehabt und trotz ihrer Jugend schon viel Bitteres erleben müssen, und es sei bewunderungswürdig, wie sie sich allen Schic k salsschlägen zum Trotz bisher im Leben behauptet habe. Und Gordon fuhr fort, wir sollten ja nicht annehmen, dass dies in seinen Beziehungen zur Familie die geringste Lockerung bedeute. Nach wie vor fühle er sich für unser aller Wohlergehen verantwortlich.«
    »Aber er verfasste nach seiner Heirat kein Testament?«, fragte Lynn.
    »Nein.« Mrs Marchmont schüttelte den Kopf. »Das letzte Testament, von dem wir wissen, stammt aus dem Jahr 1940. Die Einzelheiten sind mir unbekannt, aber er sagte uns damals, wir sollten uns keine Gedanken m a chen, es wäre für uns alle gesorgt, falls ihm etwas zusti e ße. Durch seine Heirat ist dieses Testament natürlich gegenstandslos geworden. Ich bin überzeugt davon, dass es seine Absicht war, ein neues aufzusetzen nach seiner Heimkehr. Aber es kam nicht mehr dazu. Er starb am Tag nach seiner Ankunft.«
    »Und jetzt fällt alles Rosaleen in den Schoß?«
    »Ja, weil das alte Testament durch die Heirat ungültig geworden ist.«
    Lynn versank in Schweigen. Sie war kein besonders m a teriell eingestellter Mensch, dass ihr aber diese unerwart e te Veränderung der Situation zu denken gab, war schlie ß lich nur menschlich.
    Die Entwicklung der Dinge entsprach sicher nicht Gordon Cloades Plänen. Den Löwenanteil seines Ve r mögens hätte er vermutlich seiner jungen Frau vermacht, aber seine Familie wäre nicht leer ausgegangen, besonders nachdem er immer und immer wieder versichert hatte, dass für alle gesorgt sei. Es bestehe kein Anlass für sie zu sparen, hatte er stets wiederholt, und sie selbst war Zeuge gewesen, wie er zu Jeremy sagte: »Wenn ich sterbe, wirst du reich sein.« Und Lynns Mutter hatte er geraten: »Bleib in eurem Haus. Es ist dein Heim. Wegen Lynn mach dir keine Gedanken. Ich übernehme die Verantwortung für sie, das weißt du. Es wäre mir schrecklich, würdest du aus Sparsamkeitsgründen umziehen. Schick die Rechnungen für alle Reparaturen mir.« Rowley hatte er zum Kauf der Farm ermutigt; Antony, Jeremys Sohn, war nur auf Go r dons Drängen hin seinem heimlichen Wunsch gefolgt, die militärische Laufbahn einzuschlagen. Der wohlhabende Onkel hatte ihm allmonatlich ein reichliches Taschengeld zukommen lassen. Und Lionel Cloade war durch seinen Bruder veranlasst worden, einen Großteil seiner Zeit wi s senschaftlichen Forschungen, die kaum etwas einbrac h ten, zu widmen und seine Praxis dementsprechend zu vernachlässigen.
    Lynns Gedankengang wurde wieder durch ihre Mutter unterbrochen. Mit zitternden Lippen wies Mrs Marc h mont auf ein Bündel
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