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Der Todeswirbel

Der Todeswirbel

Titel: Der Todeswirbel
Autoren: Agatha Christie
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Er war bis über beide Ohren in sie verliebt, der arme Kerl. Sie hasste den Urwald, hatte Angst vor den Eingeborenen und langweilte sich zu Tode. Sie wollte ins Theater gehen können, mit Leuten schwatzen und abgelenkt sein. Solit u de à deux im Urwald entsprach eben doch nicht so ganz ihrem Geschmack. Ich habe sie nie kennen gelernt, das alles weiß ich nur von dem armen Kerl, dem Underhay. Es machte ihm schwer zu schaffen, aber er benahm sich grundanständig. Er schickte sie heim und willigte in die Trennung ein. Kurz danach traf ich ihn. Er war völlig am Ende mit seinen Nerven und in der Verfassung, in der ein Mann seinem Herzen Luft machen muss. Er war ein k o mischer Kauz, ein altmodischer Geselle, römisch-katholisch und prinzipiell gegen Scheidung. ›Es gibt noch andere Möglichkeiten, einer Frau ihre Freiheit zurückz u geben‹, sagte er mir damals. Machen Sie keine Dummhe i ten, mein Lieben, versuchte ich ihm gut zuzureden. ›Ke i ne Frau der Welt ist’s wert, dass man sich ihretwegen eine Kugel durch den Kopf jagt.‹
    Das wäre auch gar nicht seine Absicht, meinte er. Aber er stünde ganz allein da, hätte keine Verwandten, die sich seinetwegen Sorgen machen könnten. Wenn ein Rapport seinen Tod melde, sei Rosaleen Witwe, und das sei alles, was sie sich wünsche. ›Und was soll aus Ihnen werden?‹, fragte ich ihn unverblümt. ›Wer weiß‹, erwiderte er. ›Vie l leicht taucht irgendwo tausend Meilen von hier ein Mr Enoch Arden auf und beginnt ein neues Leben.‹ – ›Das kann aber eines Tages für Rosaleen unangenehme Folgen haben‹, wandte ich ein. ›Keine Spur. Ich würde die Sache durchziehen. Underhay wäre ein für alle Mal tot‹, gab er darauf zurück.
    Ich vergaß die Geschichte wieder, bis ich so ungefähr sechs Monate darauf hörte, Underhay sei irgendwo im Urwald am Fieber gestorben. Die Eingeborenen, die bei ihm gewesen waren – alles vertrauenswürdige Burschen –, kamen mit einer bis in alle Einzelheiten glaubwürdig klingenden Geschichte zur nächsten Siedlung. Sie brac h ten sogar einen Wisch mit – ein paar von Underhay hi n gekritzelte Zeilen –, der besagte, dass es mit ihm zu Ende gehe und seine Leute für ihn getan hätten, was sie nur hätten tun können. Einen Eingeborenen, der seine rechte Hand und ihm ganz besonders ergeben gewesen war, pries er in den höchsten Tönen. Dieser Mann hing an Underhay, und die anderen gehorchten diesem Burschen bedingungslos. Sie hätten bestimmt beschworen, was er sie zu beschwören hieß. So steht die Sache… Möglich, dass Underhay irgendwo in Afrika begraben liegt, ebenso gut möglich aber auch, dass dem nicht so ist, und wenn’s so wäre, könnte es passieren, dass Mrs Gordon Cloade eines Tages eine böse Überraschung erlebt. Ehrlich g e standen, geschähe ihr da gar nicht so unrecht. Ich hab zwar nie das Vergnügen gehabt, die Dame persönlich kennen zu lernen, aber ich hab eine gute Witterung für diese Art Glücksritter.«
    Major Porter sah sich abermals Anerkennung heischend um, aber er begegnete nur dem gelangweilten und etwas glasigen Blick des jungen Mr Mellow und der unverändert höflichen Aufmerksamkeit Monsieur Hercule Poirots.
    In diesem Augenblick raschelte eine Zeitung; aus dem Sessel beim Kamin erhob sich ein grauhaariger Herr mit betont ausdruckslosem Gesicht und verließ den Raum.
    Der Major starrte dem Verschwundenen entsetzt nach, und der junge Mellow stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Schöne Geschichte haben Sie sich da geleistet«, meinte er schadenfroh. »Wissen Sie, wer das war?«
    »Gott im Himmel!«, stieß der Major hervor. »Natürlich weiß ich’s. Wir sind nicht gerade befreundet, aber wir kennen uns. Jeremy Cloade… Gordon Cloades Bruder! Sehr peinlich, wirklich sehr peinlich. Wenn ich nur eine Ahnung gehabt hätte…«
    »Er ist Rechtsanwalt«, stellte der junge Mellow fest und fügte ohne große Anteilnahme hinzu: »Das trägt Ihnen aller Voraussicht nach eine Klage wegen Verleumdung, Kreditschädigung und übler Nachrede ein.«
    »Sehr peinlich! Wirklich außerordentlich peinlich!«, war alles, was der Major darauf zu erwidern wusste.
    »Heute Abend wird ganz Warmsley Heath im Bilde sein«, fuhr Mr Mellow junior ungerührt fort. »Das ist die Residenz der Cloadeschen Sippschaft. Vermutlich ve r sammeln sie sich heute noch dort, um ein gemeinsames Vorgehen zu besprechen.«
    Da in diesem Augenblick die Sirene das Ende des A larms anzeigte, verzichtete Mr Mellow darauf, den armen Major weiter
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