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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht
Autoren: Bruno Morchio
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Loi, und nickte wohlgefällig.
    »
Abbardente
. Und zwar eiskalt. Ich habe ihn gerade aus dem Tiefkühlfach geholt.«
    Gläser waren allerdings nirgends zu sehen. Die Flasche stand also nur da, um mich zu provozieren. Einer seiner üblichen Scherze.
    »Hast du nicht was Leichteres?«
    Er verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. Dann nahm er die Grappaflasche, stand auf und ging ins Haus.
    »Ich habe extra auf dich gewartet, damit wir was Richtiges aufmachen können.«
    Als er wieder herauskam, trug er in der einen Hand eine Flasche kühlen Wein und in der anderen zwei Weingläser. Ein Torbato aus Alghero. Strohgelb, ins Goldene spielend. Er entkorkte die Flasche und schenkte ein. Dann reichte er mir eines der Gläser.
    »Auf deine Gesundheit«, sagte er und erhob sein Glas. »Willst du mir jetzt vielleicht endlich erklären, warum du hier bist?«
    »Sag du mir lieber erst mal, wo deine Frau ist.«
    »Sie ist im Dorf geblieben, mit Laura. Angelica kommt doch nur im August zum Strand runter, wenn die Touristen da sind. Sie sagt, dieser Ort mache sie melancholisch, wenn er so verlassen sei.«
    »Und wie geht’s deiner Tochter?«
    »Die regt mich vielleicht auf! Sie macht grundsätzlich nicht das, was ihr Vater ihr sagt. Laura ist vor Kurzem sechzehn geworden. Sie geht jetzt aufs Gymnasium in Jerzu. Heute Abend wirst du sie alle beide sehen. Wir erwarten dich zum Abendessen.«
    Mich zu ernähren, schien seine Berufung zu sein, und zwar vom ersten Tag an, an dem wir uns getroffen hatten. Ich begann zu erzählen. Jedes einzelne Detail, in aller Ruhe. Mein Redefluss wurde nur ab und an von einem Schluck Wein unterbrochen, den ich ebenso wie mein Gesprächspartner schweigend genoss. Stück für Stück und wohlgeordnet entspann sich meine Geschichte. Irgendwann holte Virgilio sich eine Toscano, entblätterte sie mit seinen Fingern, die ebenfalls dick geworden waren, kappte die Spitze mit dem Zigarrenschneider und zündete sie an. Die Luft stand still. Es kündigte sich ein schöner Abend an. Von der Sanddüne drang das ruhige, gleichmäßige Murmeln des Meeres zu uns herüber, es kroch entlang des erdigen Pfades bis zu dem blühenden Hibiskus und dem Johannisbrotbaum, die die Veranda umstanden und uns die Aussicht auf den Horizont versperrten.
    »Das klingt nicht gerade überzeugend«, meinte er, als ich mit meiner Erzählung fertig war. »Wer weiß, ob dieser Junge überhaupt hier ist.«
    »Kannst du dich mal ein bisschen umhören?«
    »Ja klar. Aber so richtig glauben tust du das selbst nicht, stimmt’s?«
    Er kannte mich gut, der alte Loi. Wahrscheinlich, weil er mich in einer Zeit erlebt hatte, als ich völlig fertig war. Am Boden zerstört. Mit einer Zukunft voll alter Wunden und schmerzlicher Erinnerungen, die mir wie Nägel in der Seele steckten. Das Schlimme war, dass ich nicht einmal jemandem die Schuld geben konnte. Den Richtern etwa, die sich an Gesetze hielten, die sie selbst nicht verabschiedet hatten? Den Freizeit-Revolutionären, die den Krieg theoretisierten und kein gutes Haar am Staat ließen? Die frei herumliefen, während ich im Hochsicherheitstrakt saß? Krieg führten gegen das bisschen Staat, was in diesem vermaledeiten Operettenstaat noch übrig geblieben war? Viele von ihnen landeten später fest in den Diensten der Fernsehsender unseres grinsenden Millionärs. Mein Freund Virgilio Loi hatte recht. Es kostete mich unglaublich viel Mühe, überhaupt noch an etwas zu glauben.
    »Wo willst du denn anfangen zu suchen?«
    »Ich habe mich vorhin schon ein bisschen mit den Leuten im Dorf unterhalten. Es könnte durchaus sein, dass jemand von ihnen auf mich zukommt.«
    »Warum glaubt der alte Sanna, dass sein Sohn gerade hierhergekommen ist?«
    »Wahrscheinlich, weil er weiß, dass einer der Komplizen in Tertenia lebt.«
    Er nahm die Flasche und schenkte uns Wein nach.
    »Einer der Banditen von der Carlo Felice? Hier in Tertenia?«
    Wie eine Lawine breitete sich in ihm nun einer dieserruhigen Momente aus, an die ich mich im Laufe der Zeit gewöhnt hatte. Ein langes Schweigen, von Gedanken erfüllt, die in seinem Kopf herumliefen wie Wildschweine in der Macchia. Vom Pfad im Weinberg drang kaum hörbar das Rauschen der Wellen, die sanft an den Sandstrand schwappten. Dann sah ich, wie seine Stirn sich langsam glättete. Zwischen zwei Zügen an seiner Zigarre entspannten sich seine Lippen und formten sich zu einem Lächeln.
    »Es müsste sich also um jemanden handeln, der viel Geld gemacht hat«, murmelte
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