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Der Tod traegt Turnschuhe

Der Tod traegt Turnschuhe

Titel: Der Tod traegt Turnschuhe
Autoren: Kim Harrison
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verkündete ich und hielt es ihm hin. »Zur Erinnerung.« Ich war ein wenig außer Atem, obwohl ich ja gar nicht atmen musste. Was, wenn er mich jetzt für einen totalen Freak hielt?
    Aber Shoe grinste und ich seufzte erleichtert auf.
    »Danke«, sagte er und nahm das Schuhband. »Ich, ahm, hab nichts - warte mal.« Er wühlte in seiner Hosentasche. »Hier«, sagte er dann und überreichte mir einen Gutschein für das Chicken Corner. »Du musst ihn ja nicht einlösen«, fügte er mit roten Wangen hinzu. »Aber das Einzige, was ich sonst noch dabeihabe, ist mein Führerschein.«
    Ich lächelte und betrachtete den Gutschein im schummrigen Licht. »Mach's gut, Shoe«, verabschiedete ich mich und drehte mich langsam um. »Hab ein schönes Leben. Sei brav. Und immer nur gute Entscheidungen treffen.« Ich wedelte mit dem Gutschein. »Danke.« Er machte den Mund zu und sah gleichzeitig verlegen und zufrieden aus. »Ich werd's versuchen«, versprach er und blickte dann stirnrunzelnd durch das Fenster zu Ace hinein. »Auch wenn es nicht leicht wird.«
    Ich lachte und begann, rückwärts zu Ace' Wagen zu gehen. Jeder einzelne Schritt fühlte sich riesengroß an. »Wenn gut sein so einfach wäre, dann wäre es ja jeder«, sagte ich.
    Shoe nickte. Unbeholfen winkte er mir noch zu, dann drehte er sich um und lief den dunklen Bürgersteig hinunter. Er ging langsam, schien aber mit jedem Schritt mehr Selbstvertrauen zu gewinnen, bis er mit erhobenem Kopf davonmarschierte. Langsam verschluckte ihn die Dunkelheit, bis selbst das Geräusch seiner Schritte verstummte und nichts mehr von ihm übrig war.
    Ich sah ihn noch einmal im Licht einer Straßenlaterne und dann … war er weg.
    Ich fühlte eine tiefe Zufriedenheit, als ich die Tür von Ace' Wagen aufriss und mein Handy und mein Portemonnaie herausholte. Die weiche Lederbörse war noch immer warm von der Fahrt hierher und hinterließ eine unschöne Beule in meiner Gesäßtasche. Die Tür quietschte, als ich sie wieder zuschlug. Aus der Ferne hörte ich ein schwaches »Mach's gut, Madison!«.
    Glücklich lehnte ich mich an den Wagen und sah zu den schlicht weißen Sternen hinauf, während ich darauf wartete, dass Barnabas und Nakita aufhörten, Ace zuzusetzen. Barnabas würde stinksauer auf mich sein, das war mir klar. Aber er würde mich nach Hause bringen, auch wenn er dabei wahrscheinlich die ganze Zeit vor sich hin grummelte. Und wenn nicht, würde Nakita es machen. Und morgen würde er mir dann auf unserem Dach erklären, was ich hätte besser machen können. Immerhin war heute Abend niemand gestorben. Und auch morgen würde niemand sterben - jedenfalls nicht, ohne dass seine Zeit abgelaufen war. Shoe würde in der Schule einen Riesenärger bekommen, aber damit hatte er ja gerechnet, als er die Schulcomputer lahmlegte. Nakita fing langsam an, mich zu verstehen - zumindest hatte ich das Gefühl -, auch wenn sie glaubte, in ihrer Rolle als schwarzer Todesengel in jeglicher Hinsicht versagt zu haben. Nach den alten Spielregeln wäre es ihre Pflicht gewesen, Ace' Seele zu retten, indem sie vorzeitig sein Leben beendete. Und Ace - er war immer noch ein totaler Mistkerl, aber vielleicht hatte sogar er etwas gelernt. Paul hatte angefangen nachzudenken. Und ich … war hundemüde.
    Vielleicht war dieser Abend letztendlich gar nicht sooo schlecht gelaufen.
    Epilog »Madison!«
    Die Stimme klang panisch und meine Augen flogen auf, als jemand mich heftig an der Schulter rüttelte. »Was?«, schrie ich zurück. Dann sah ich meinen Dad vor mir stehen, in seinen Augen stand Angst. Die wenigen Fältchen in seinem Gesicht wirkten tiefer als sonst. Ich lag in meinem Bett und die Sonne schien ins Zimmer. Ich hatte … geschlafen? Das hatte ich seit fast drei Monaten nicht mehr.
    Auf dem Gesicht meines Dads breitete sich Erleichterung aus. »Ich dachte schon, du wärst …«, begann er. Dann überlegte er es sich offensichtlich anders, ließ meine Schulter los und richtete sich auf. »Bist du wieder entschlafen?«, fragte er stattdessen und schrak dann sichtlich zusammen. »Ich meine eingeschlafen? Du kommst zu spät zur Schule.« Er wirkte ein wenig verlegen und ich lächelte. Wahrscheinlich hatte ich tatsächlich ziemlich tot ausgesehen, wie ich hier so lag. Keine Atmung und so. Kein Wunder, dass er mich so geschüttelt hatte.
    »Wie spät ist es denn?«, wollte ich wissen und setzte mich blinzelnd auf. Ich konnte kaum glauben, dass ich wirklich geschlafen hatte. Vielleicht war das auch noch
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