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Der Tod traegt Turnschuhe

Der Tod traegt Turnschuhe

Titel: Der Tod traegt Turnschuhe
Autoren: Kim Harrison
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bekleidet würde ich wohl nie einen souveränen Eindruck machen. »Glaubst du denn an das Schicksal?«, fragte ich.
    Paul verzog das Gesicht und trat ein paar Schritte zurück, um sich schließlich ins offene Fenster zu setzen.
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Aber Ron ist einfach gegangen, als Ace seinen Schutzengel hatte. Und du bist dageblieben und hast versucht, den Leuten wirklich das Leben zu retten.«
    Ich griff mein Handtuch fester und wusste nicht, was ich sagen sollte.
    »Ich muss gehen«, sagte Paul und stand auf. »Ich sollte eigentlich an meinen Sprüngen arbeiten, und wenn ich nicht rechtzeitig zurück bin, kommt er mir bestimmt hinterher »Muss schön sein, einen Lehrer zu haben«, seufzte ich und war mehr als nur ein bisschen neidisch. Außerdem wollte ich nicht, dass er schon ging. »Aber du bist doch nicht den ganzen Weg gekommen, nur um mich zu fragen, ob ich an das Schicksal glaube.«
    Paul zuckte mit einer Schulter. »Nein. Ich dachte, es interessiert dich vielleicht, dass Ron einen Langstreckenblick in die Zukunft geworfen hat. Und er hat gesehen, dass weder Ace noch Shoe jemals wieder irgendwelche Viren programmieren werden. Shoe fängt irgendwann sogar mal bei der CIA an und macht Jagd auf Hacker. Er ist wahrscheinlich derjenige, der in zehn Jahren den Angriff eines Cyber-Terroristen vereitelt.
    Ace hockt momentan in einer Gummizelle, weil er die ganze Zeit von Todesengeln und Zeitwächtern faselt. Aber er wird mit der Zeit lernen, den Mund zu halten. Dann wird er entlassen und gründet eine Band namens Melting Crows. Er stirbt mit Mitte dreißig an einer Überdosis.«
    »Oh Gott. Das ist ja schrecklich!«, flüsterte ich und fragte mich, ob sich die Mühe überhaupt gelohnt hatte. Paul schien völlig ungerührt. »Jeder muss irgendwann sterben. Und seine Musik berührt die Menschen«, sagte er. »Bringt sie zum Nachdenken. Wenn du mich fragst, brüllt ihm sein Schutzengel wahrscheinlich gerade ins Ohr, damit er ausnahmsweise mal zuhört. Ace wird nie ein Heiliger werden, aber sein Leben wird einen Sinn haben. So sehe ich das zumindest.«
    »Ja, wahrscheinlich hast du recht«, erwiderte ich, aber ich war immer noch nicht besonders glücklich damit. Vielleicht hätte ich doch zulassen sollen, dass Nakita ihn tötet. Das wäre ein sauberer Schnitt gewesen - buchstäblich. Bekamen unvollendete Seelen eine zweite Chance? Noch eine Runde? War das der Grund, warum die schwarzen Engel ihr Leben vorzeitig beendeten?
    »Hast du Shoe meine Festnetznummer gegeben?«, fragte ich plötzlich.
    Paul stützte eine Hand in den Fensterrahmen, als wollte er gehen. »Er wollte dir sagen, dass es ihm gut geht. Ich dachte, dir würde es nichts ausmachen, und ich wusste deine Handynummer nicht. Darum hab ich eure Festnetznummer aus dem Telefonbuch herausgesucht. Ich hab ihm nichts getan, falls du das glaubst.
    Ron ist fuchsteufelswild.« Paul schmunzelte und sein Blick schweifte ab, als er an Ron dachte. »Der Schutzengel, den ich Ace gegeben habe, lässt nicht zu, dass irgendjemand in seine oder Shoes Gedanken eindringt.
    Darum auch der Langstreckenblick.«
    Damit hatte sich eine weitere Sorge in Luft aufgelöst, und als Paul sich zum Fenster umwandte, sprudelte es aus mir heraus: »Danke, dass du gestern für mich auf Ace aufgepasst hast.«
    Den Kopf schräg gelegt, lächelte er mir mit blitzenden Zähnen zu. »Gern geschehen.«
    Unten rief mein Dad nach mir und ich trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich muss gehen«, sagte ich und deutete mit dem Kopf in Richtung Bad.
    »Ich auch«, erwiderte er. Dann machte er einen Satz über die Fensterbank und aufs Dach.
    »Magst du Ron eigentlich?«, fragte ich unvermittelt.
    Er zögerte und ließ den Blick unruhig durch mein Zimmer schweifen.
    »Ich weiß nicht«, sagte er leise. »Er bringt mir vieles bei, aber er ist irgendwie besessen, wenn es um dich geht.«
    Unsere Blicke trafen sich und ich nickte. »Er hat mich angelogen. Ziemlich dicke Lügen waren das. Das hat ihn vor dem Seraph nicht gut dastehen lassen. Glaubst du ihm immer noch jedes Wort?«
    Paul antwortete nicht. Er zog nur den Kopf ein und lächelte. »Wir sehen uns«, verabschiedete er sich, dann schienen ihn die Schatten der Äste Stück für Stück zu verschlucken, bis er schließlich verschwunden war. Ich wartete einen Augenblick, um sicherzugehen, dass er wirklich weg war. »Ich muss lernen, wie man das macht«, flüsterte ich und ging duschen.
    Soso, Ace wird also Rockstar, dachte ich und
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