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Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: P. D. James
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verlässlich zur Seite gestanden. Die beiden Frauen hatten sich kennengelernt, als Elizabeth mit ihrem Onkel und ihrer Tante Pemberley besichtigte und von der Haushälterin empfangen und herumgeführt wurde. Mrs. Reynolds hatte Mr. Darcy schon als Knaben gekannt und ihn als Herrn wie als Mann so überschwenglich gepriesen, dass sich Elizabeth damals zum ersten Mal fragte, ob sie mit ihrem Vorurteil gegen ihn nicht im Unrecht war. Über die Vergangenheit hatte sie mit Mrs. Reynolds nie gesprochen, aber die Haushälterin und sie waren Freundinnen geworden, und Mrs. Reynolds hatte sich durch ihre diskrete Unterstützung als unschätzbar wertvoll für Elizabeth erwiesen. Schon vor ihrem ersten Eintreffen in Pemberley als Braut hatte Elizabeth erkannt, dass Herrin eines solchen Sitzes und für das Wohl so vieler Bediensteter verantwortlich zu sein nicht mit der Aufgabe ihrer Mutter zu vergleichen war, den Haushalt in Longbourn zu führen. Doch ihre Freundlichkeit und Anteilnahme am Leben der Diener hatten diesen die Zuversicht gegeben, dass ihr Wohlergehen der neuen Herrin am Herzen lag. So war alles einfacher als erwartet gewesen und sogar weniger mühsam als in Longbourn, weil Mrs. Reynolds und Stoughton, der Butler, das Personal von Pemberley, das zum größten Teil schon seit langem dort arbeitete, in der Tradition unterwiesen hatten, die Familie niemals Unannehmlichkeiten erdulden zu lassen und sie tadellos zu bedienen.
    Ihr früheres Leben vermisste Elizabeth kaum, doch an die Diener in Longbourn dachte sie oft zurück: an Hill, die Haushälterin, die in alle Familiengeheimnisse eingeweiht gewesen war und sogar von Lydias berüchtigter Flucht gewusst hatte, an Wright, die Köchin, die Mrs. Bennets gelegentlich unmäßige Ansprüche klaglos erfüllte, und an die beiden Hausmädchen, die zusätzlich zu ihren eigentlichen Pflichten Dienste als Kammerzofe geleistet und Jane und sie vor jedem Ball frisiert hatten. Sie waren zu Familienmitgliedern geworden, wie es die Diener in Pemberley nie sein würden; doch Elizabeth wusste, dass Familie, Personal und Pächter hier eben durch Pemberley, durch das Haus und die Darcys, in gegenseitiger Loyalität miteinander verbunden waren. Viele aus der Dienerschaft waren die Kinder und Enkel früherer Bediensteter, sie hatten das Haus und seine Geschichte im Blut. Und sie wusste natürlich auch, dass ihr endgültiger Triumph die Geburt der beiden hübschen, gesunden Knaben dort oben im Kinderzimmer gewesen war – Fitzwilliam, fast fünf, und Charles, drei Jahre alt –, stellten die Kleinen doch sicher, dass die Familie und deren Erbe weiterbestand und ihnen, ihren Kindern und Enkelkindern Arbeit verschaffte und es weiterhin Darcys in Pemberley gab.
    Fast sechs Jahre zuvor hatte Mrs. Reynolds, als über die Gästeliste, die Speisefolge und den Blumenschmuck für Elizabeths erstes Dinner beraten wurde, gesagt: »Es war für uns alle ein glücklicher Tag, als Mr. Darcy seine Braut nach Hause brachte. Es war der größte Wunsch meiner Herrin, ihren Sohn verheiratet zu wissen. Leider wurde er nicht erfüllt. Sie wollte doch so sehr, dass er ein glückliches Familienleben führte, nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch wegen Pemberley.«
    Da hatte Elizabeths Neugier über ihre Diskretion gesiegt, und während sie geschäftig irgendwelche Papiere auf dem Schreibtisch hin und her schob, hatte sie, ohne den Blick zu heben, gefragt: »Aber vielleicht ja nicht mit dieser Frau. Lady Anne Darcy und ihre Schwester hatten doch vereinbart, Mr. Darcy mit Miss de Bourgh zu verheiraten, nicht wahr?«
    »Madam, ich sage nicht, dass Lady Catherine so etwas nicht im Sinn gehabt hat. Sie brachte ja Miss de Bourgh oft genug nach Pemberley mit, wenn Mr. Darcy hier war. Aber es wäre niemals so gekommen. Die arme Miss de Bourgh war nämlich immer kränklich, und Lady Anne war sehr an der Gesundheit einer möglichen Braut gelegen. Es kam uns allerdings zu Ohren, dass Lady Catherine hoffte, Miss de Bourghs anderer Cousin, Oberst Fitzwilliam, würde ihr einen Antrag machen, aber das geschah nicht.«
    Elizabeth richtete ihre Gedanken wieder auf die Gegenwart. Sie legte Lady Annes Notizbuch in eine Schublade und trat, nur widerwillig die Ruhe und Abgeschiedenheit verlassend, die ihr erst wieder nach dem Ball vergönnt sein würden, an eines der beiden Fenster. Von dort sah man die lange, geschwungene Auffahrt zum Haus und den Fluss, wie er den berühmten Baumpark von Pemberley durchschnitt,
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