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Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)

Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)

Titel: Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Autoren: Roland Krause
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sonst?«
    »Das ist ...«, sie greift sich an den Kopf, »das ist einfach bescheuert.«
    »Kann schon sein«, sagt der Ansi. »Aber bescheuert ist es auch, wenn man immer zuschauen muss und nix macht. Da kannst du doch auch nicht in den Spiegel sehen.«
    »Es bleibt eine Entführung!«, beharrt der Jonny und haut auf den Tisch. Seine Plastikbänder fliegen auf das Parkett. Ein Zeichen. Alle im Raum richten ihre Blicke darauf. Das Thema ist durch. Nichts ist ungesagt geblieben. Fehlt noch das Machtwort. Alle verhaften. Aufräumen. Subito.
    Doch der Hauptkommissar schaut aus dem Fenster in die Dunkelheit und kratzt sich am Schädel. Ein Aufstöhnen ist von ihm zu hören. Wie wenn er sich gerade die zu engen Schuhe ausziehen würde. Eine Minute lang passiert nichts. Als hätte der Raum die Luft angehalten. Dann dreht sich der Mann wieder um. Ganz langsam.
    »Fahren wir?«, fragt er die Wiesner unvermittelt.
    »Wir zwei?« Belustigung macht sich in ihren Augen breit.
    »Freilich, ich weiß Bescheid, das reicht.«
    »Von mir aus können wir fahren.«
    Er schaut den Jonny an. »Weisungsbefugt ist ab jetzt der Brauner. Was er entscheidet, wird ausgeführt. Ich verlass mich drauf – wir verlassen uns drauf. Ihr bleibst da. Wir müssen jetzt weg.«
    »Sie müssen was?« Der Jonny ringt um Fassung. Er wirft einen Blick auf seine Utensilien. Nicht, dass er ein Kampfschwein wäre, aber etwas dramatischer hatte er sich seine erste Geiselbefreiung wahrscheinlich vorgestellt.
    »Weg«, sagt die Wiesner. »W-E-G.«
    Der Hartinger begreift es schneller. Er wird die verschiedenen Herzen in seiner Brust kaum koordinieren können. Hauptsache, sie schlagen.
    »Alles klar!«, ruft er, bevor es sich jemand anders überlegen kann. Er wirft der Isabella einen schnellen Blick zu. Die übrige Gesellschaft weiß mit der Botschaft wenig anzufangen. Keiner sagt etwas. Offenbar können sie ihre Rolle gut einschätzen. Ihre Meinung ist nicht gefragt.
    »Ihr hört es, Leut«, meint der Ex-Oberstaatsanwalt schließlich und klopft mit dem Stock auf den Boden. Dann lässt er sich ächzend auf das Sofa fallen. Fast eine Kopie des eigenen Möbelstücks. Selbst im Bücherregal sind der Seneca und Golo Mann vertreten. Unter anderen Umständen könnte man sagen, der Ex-Soldat wäre ein Bruder im Geiste. Nur Hackbrett ist keines vertreten. Ein Harmonium besetzt eine Ecke. Im Notenständer liegt ein Blatt. Ein Orgelstück von Camille Saint-Saëns. An der Wand hängt ein Druck von Egon Schieles »Agonie«. Thematisch lässt sich das aufs Entführerquartett übertragen.
    »Jetzt hätt ich gern an Schnaps«, verkündet der Brauner. Er packt die silberne Schnupftabaksdose aus. Unternehmungslustig funkeln seine Augen. Farbe schießt ihm ins Gesicht. Eine Aufgabe erwartet ihn. Entscheidungen gibt es zu fällen. Seit Jahren zum ersten Mal. »Alles hört auf mein Kommando«, bellt er in Richtung des Ex-Soldaten.
    Der Brauner zeigt nicht sofort anklagend mit dem Finger auf dich. Er ist nie einer gewesen, dem der erste Blick ausgereicht hatte. Du musst immer auch in den Keller schauen. Manchmal liegt da eine Leiche, manchmal eine Schatztruhe. Es könnte eine lange Nacht werden.
    »Setzt euch halt hin«, bestimmt er. Die Macht ist mit ihm, und die Energie kuschelt mit ihr. Kein Wunder, die Mama ist in perfektem Erhaltungszustand. Verwandelt schaut er aus. Als wäre gerade der Heilige Geist über ihn gekommen, oder – für das Vorstellungsvermögen der Atheisten: mindestens eine neue Erkenntnis. Der ist in einem Alter, wo er sich über nichts mehr wundert, außer über sich. Dass seine Wut und seine Angst so schnell verraucht sind. Dass sich die Erleichterung mit Verständnis paart. Besser noch, er hätte sich seine alte Robe eingepackt. Der maßgeschneiderte Fetzen flackt bei ihm im Keller, in einer Tüte vom Discounter, und wartet auf die Motten. Schade drum. Jetzt wäre er passend.
    Die Anwesenden leisten seinem Befehl widerspruchslos Folge.
    » S andner has just left the building.« Zusammen mit seiner Kollegin schlendert er langsam den Weg entlang zu ihrem Wagen. Ein Gefühl, wie wenn du den halbwüchsigen Schranzen sturmfreie Bude bescherst und dir allein einen entspannten Abend gönnst. Auf dem Tisch werden sie nicht tanzen.
    »Wir sind komplett plemplem«, meint die Polizistin.
    »Jemand muss es ja sein.«
    »Was glaubst du, was der Brauner entscheidet?«
    »Das Richtige, so wie ich ihn kenn.«
    »Aha – da gibt es auch ein Richtig?«
    »Für uns? Nein. Aber
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