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Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Titel: Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
Autoren: Marcia Muller
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Zentimeter hoch und aus unbemalter Terrakotta. An den
rötlichbraunen Ästen trug er einige wenige Blätter und keine Blüten. In seiner
Mitte hockte ein von fünf Totenschädeln umgebenes Skelett. Es war nicht gerade
ein erbaulicher Anblick, aber mir war er lieber als die aufdringliche
Farbenpracht oben im Saal für Volkskunst.
    Wir schleppten die drei Bäume nach
oben, wo die anderen, einschließlich Frank und Tony, uns erwarteten. Frank tat
immer noch so, als wäre ich für ihn nicht vorhanden, und unterhielt sich leise
mit Vic, während wir die Bäume aufstellten. Als wir fertig waren, trat er ein
paar Schritte zurück, musterte das Ensemble und nickte befriedigt.
    »Wunderbar, Isabel«, sagte er. »Ganz
wunderbar. Das ist wirklich ein unglaublich großzügiges Geschenk. Ein
großartiger Anfang in unserem neuen Haus. Und ich danke auch Ihnen — Tony,
Jesse, Vic und Maria — für Ihre tatkräftige Hilfe.«
    Damit machte er kehrt und marschierte
aus dem Saal.
    Isabel sah mich an und zuckte bedauernd
die Achseln. Jesse klopfte mir auf die Schulter. Tony grinste, aber so richtig
von Herzen kam es nicht. Maria sah ihrem Onkel mit Verachtung nach. Ich warf
einen Blick auf Vic, und was ich sah, erstaunte mich. Seine Hände waren zu
Fäusten geballt, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck leidenschaftlichen Zorns.
Einen solchen Ausdruck hatte ich nie zuvor bei Vic gesehen, war überrascht, daß
er einer solchen Regung überhaupt fähig war. Hastig sah ich wieder zu unserer
kitschigen Baumgruppe hinüber.
    Es war beinahe fünf. Die anderen
verabschiedeten sich und machten sich langsam auf den Heimweg. Der
Lastwagenfahrer, jetzt zwanzig Dollar reicher, trank noch ein Bier und fuhr ab.
Nur Isabel blieb.
    »Ist für das Buffet morgen alles da,
Elena?« fragte sie.
    Sie wirkte wieder unsicher, und sie tat
mir leid. Ihr Geschenk war gut gemeint gewesen, aber es hatte eigentlich bisher
nur Verdruß gebracht.
    »So ziemlich. Wir haben den Orangensaft
und den Champagner. Die Erdbeeren werden morgen früh geliefert. Wir haben
Kaffee, Käse und Brot und — ach, verdammt!«
    »Was denn?«
    »Die Sahne! Ich hatte Angst, sie würde
sauer werden, deshalb wollte ich sie erst heute abend besorgen. Und jetzt muß
ich noch meine Wäsche machen und diverse Rechnungen bezahlen, ehe sie mich in
den Schuldturm stecken...« Isabels Miene hellte sich auf. Sie gehörte zu den
Frauen, die es dringend nötig haben, gebraucht zu werden. Seit ihrer Scheidung
ein Jahr zuvor trat das immer offenkundiger zutage.
    »Das mit der Sahne erledige ich.«
    »Wollen Sie wirklich? Sie haben doch
schon so viel getan.«
    »Aber natürlich.« Sie nickte mit
Entschiedenheit. »Und jetzt werde ich mal mit Frank ein Wörtchen reden. Wissen
Sie, wo er ist?«
    »In seinem Büro oder im Garten davor.
Bei seinen Pflanzen, Sie wissen ja.«
    Isabels Gesicht verzog sich.
    »Natürlich, bei seinen Pflanzen. Also,
wir sehen uns dann morgen.«
    Als Isabel gegangen war, wandte ich
mich wieder dem Lebensbaum zu.
    »Es könnte passieren, daß du in die
Brüche gehst«, flüsterte ich. »Ja, das könnte leicht passieren.«
    Dann machte ich in der angenehmen
Stille, die jetzt eingekehrt war, noch rasch einen Besichtigungsgang durch die
anderen Säle. Alles war an Ort und Stelle. Und es sah gut aus. Ich rückte hier
etwas zurecht, fegte dort einen Hauch Staub weg. Ich wußte, ich würde auch
morgen früh gleich noch einmal alles inspizieren und alles in Ordnung finden.
Dies war meine erste Chance zu zeigen, was ich konnte. Wenn die Presseleute
mein Museum betraten, mußte alles perfekt sein.
    Mein Museum! Frank hätte mir ins
Gesicht gelacht, wenn er das gehört hätte. Aber nach all dem Schweiß und der Liebe,
die ich in die Arbeit gesteckt hatte, betrachtete ich es eben als mein Werk.
Und das würde ich mir nicht von diesem faulen Fettwanst verderben lassen.
    Leider mußte ich vor dem Gehen noch bei
Frank vorbeischauen, um ihn zu fragen, ob ich die Alarmanlage einschalten
sollte. Wir hatten keine Sicherheitsleute; unsere Sammlungen wurden einzig
durch die Gitter vor den Fenstern und ein einfaches Alarmsystem an den Türen
geschützt. Immer noch besser als vorher, da hatten wir nicht einmal eine
Alarmanlage gehabt. Ich war stolz auf die neue Anlage und hatte energisch darum
gekämpft, eine bewilligt zu bekommen, als wir in unser neues Haus eingezogen
waren. Jetzt konnte ich in dem Bewußtsein, daß unsere Sammlungen sicher waren,
nachts besser schlafen.
    Ich klopfte bei Frank,
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