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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich
Autoren: Max Bronski
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zusammen.
    Von diesem Platz aus hatte ich alles im Blick, konnte ungestört rauchen und meine Gedanken schweifen lassen, allerdings wäre mir mehr Betrieb lieber gewesen. Wenigstens so viel, dass wir meine Personalkosten wieder hereinbekamen. Es deprimierte mich, wenn Leo mit seinen schütteren blonden Haaren und, je nach Jahreszeit, in Leinen oder abgewetztem Cord aus seinem Herrenhaus geschlurft kam. Seinen hängenden Schultern sah ich an, was das Thema war: Geld! Freilich hatten wir Einnahmen aus Forstwirtschaft und Verpachtung, aber ein so weitläufiges, jahrhundertealtes Gemäuer war ein riesiges Sparschwein. Es musste dauernd gefüttert werden.
    Warum sollten auch beim Entwurf und Bau eines solchen Schlosses immer nur Meister ihres Fachs unterwegs gewesen sein? Unser Barockschloss verfügte über einen Konzertsaal, der für nahezu zweihundert Personen ausgelegt war. Rechnete man allerdings Bestuhlung und alle sonstigen benötigten Anlagen hinzu, so würde bei einer Auslastung von etwa achtzig Besuchern der Boden durchbrechen. Mit anderen Worten: Wir hatten eine perfekte Lokalität für Konzerte, konnten sie aber nicht nutzen. Es sei denn, wir hätten den Boden komplett erneuert. Und dazu brauchte man Geld.
    Bei unserer regelmäßigen kleinen Lagebesprechung, die wir meist freitags abhielten, hatte Leo wieder einmal gefragt, ob nicht die Gutsverwaltung Ideen hätte, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Mit Gutsverwaltung war ich gemeint. An Titeln mangelte es in einer adeligen Umgebung nie, aber genauso gut konnte er fragen, ob der Gärtner oder der Nachtwächter einen zündenden Einfall zu präsentieren habe. Auch damit wäre ich gemeint gewesen. Ich machte alles, was so anfiel.
    – Hast du schon mal über Merchandising nachgedacht?
    Leo legte bei seiner Frage den Kopf schief.
    – Kaffeetassen? T-Shirts?
    Er zuckte die Achseln.
    – Was eben so geht.
    Ich wünschte mir in solchen Momenten, wenigstens einer von uns wäre der mit allen Wassern gewaschene Verkäufer.
    – Weißt du, Leo, um Merchandising zu machen, müsste man eine Marke haben, die die Leute interessiert. Wer kennt schon Schloss Ottenrain?
    Ein schmerzvoller Zug ging über Leos Gesicht.
    – Wir haben jetzt die Medaillons, die Postkarten und die Schneekugeln im Verkauf. Es würde mich wundern, wenn wir die Produktionskosten schon wieder drin hätten.
    Leos Augen wurden wässrig.
    – Bringt nichts, wie?
    Ich nickte. Dann tranken wir unseren Kaffee aus, redeten noch über diese oder jene Ausbesserungsarbeit.
    – Du machst das schon!
    Leo klopfte mir zum Abschied auf die Schulter.
    – Klar, sagte ich, ich mach das schon!
    – Noch was!
    Leo wandte sich in der Tür noch einmal um.
    – Vor der Mauer da unten beim Wassergraben wuchert das Unkraut. Könnte man da nicht mal mit der Sense ran?
    Ich musterte ihn besorgt. Aber seine Miene blieb arglos. Das Unkraut, von dem Leo sprach, war meine kleine Hanfplantage.
Silver Haze
, ideal platziert und inzwischen schon so reif, dass die Pflanzen intensiv rochen. Allerdings wagte sich kaum einer zum Wassergraben hinunter.
    – Ich sehe zu, was sich machen lässt.
    Leo nickte mir zu und verschwand.
     
5.
    Komischer Tag, dieser Sonntag heute! Waren das Langeweile und Einsamkeit? Das Warten? Irgendwo im Solarplexus vibrierte ein Nervenfaden, von dem eine flatterige Unruhe ausging. Ich löste eine Magnesiumtablette in Wasser auf und trank das Glas auf einen Zug aus. Neulich hatte ich ähnliche Zustände gehabt. Belanglose Sätze bedrängten mich wie Druckwellen. Manchmal waren Dehydrierung und Wassermangel für solche Zustände verantwortlich. Weit draußen meinte ich einen Hund heulen zu hören, ein Schwarm aufgeregt krächzender Krähen flog über das Dach. Ich fühlte mich in schwarze Schwermut getunkt. Sogar Eulmann schien sich heute verspätenzu wollen. Die Ruhe, die von ihm ausging, rückte viele Sorgen und Nöte zurecht. Früher hatte ich seine Wortkargheit als abweisend empfunden. Inzwischen spürte ich aus seiner Lakonie einen stoischen Humor heraus.
    Dankbar für jede Abwechslung registrierte ich, dass eine junge Frau hereinflaniert kam. Ich nahm meinen Platz im Kassenhäuschen wieder ein. Sie lächelte zu mir her, warf einen Blick in den Empfangssaal und lugte durch das Hoftor. Als sie mir den Rücken zuwendete, musterte ich sie. Sehr ansehnlich. Sie wiegte die Hüften, wenn sie einen Fuß vor den anderen setzte. Sobald sie mich im Blick hatte, beschäftigte ich mich mit unseren
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