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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt
Autoren: James Herriot
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Scham, wie einmal ein Wagen voller alter Jungfern vor mir hielt und wie man mich nach dem nächsten Weg nach Darrowby fragte, als ich inmitten einer anklägerisch dampfenden Pfütze stand.
    Aber jede Regel hat ihre Ausnahme, und einmal erlebt ich eine ganz andere Reaktion. Ich hatte die übliche Menge Tee getrunken, und darauf hatte der nette Mensch noch ein paar Flaschen Braunbier aufgemacht, die wir nach einer anstrengenden Kälberkastrierung in einem Wellblechschuppen austranken. Als ich dann schließlich bei Mr. Ainsley ankam, war ich in großer Bedrängnis.
    Aber es war niemand zu sehen. Ich schlich mich in den Kuhstall, stellte mich in eine Ecke und öffnete erleichtert die Schleusen, als ich das Klappern schwerer Stiefel auf dem gepflasterten Boden hinter mir hörte.
    Du lieber Gott, jetzt war es also wieder einmal passiert, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Mit einem schiefen Lächeln blickte ich mich über die Schulter nach ihm um.
    »Tut mir leid, daß ich Ihren Kuhstall mißbrauche, Mr. Ainsley«, sagte ich. »Aber es blieb mir nichts anderes übrig. Wenn ich mal muß, ist nichts zu machen. Vielleicht habe ich eine schwache Blase.«
    Der alte Mann sah mich einen Augenblick lang ausdruckslos an, und dann nickte er mehrere Male.
    »Ja, ich weiß, ich weiß«, sagte er trübselig. »Ihnen geht es wie mir, Mr. Herriot. Ich muß auch dauernd pissen.«

21
     
    Oft frage ich mich, warum meine Partnerschaft mit Siegfried so zufriedenstellend und erfolgreich ist.
    Wir sind nun schon seit fünfunddreißig Jahren zusammen. Ich hatte eine instinktive Zuneigung zu ihm gefaßt, als ich ihm zum erstenmal im Garten von Skeldale House begegnet bin, aber ich habe das Gefühl, daß es noch einen anderen Grund für unser gutes Einvernehmen gibt.
    Vielleicht ist es unsere Gegensätzlichkeit. Siegfrieds ruhelose Energie treibt ihn stets zu Veränderungen, während ich jede Art von Wechsel verabscheue. Viele finden ihn brillant, wogegen selbst meine besten Freunde mir diese Eigenschaft nie zusprechen würden. Er heckt ständig neue Ideen aus – gute, zweifelhafte und manchmal recht seltsame Ideen –, während ich kaum je einmal eine neue Idee habe. Er liebt das Reiten, Jagen und Fischen; ich ziehe Fußball, Cricket und Tennis vor. Ich könnte diese Aufzählung beliebig lange fortsetzen – sogar körperlich sind wir entgegengesetzte Typen –, und trotzdem verstehen wir uns prächtig.
    Das will natürlich nicht heißen, daß wir immer einer Meinung sind. In all den Jahren haben wir schon oft gestritten.
    Einmal war es wegen der neuen Kalziumspritzen aus Plastik. Da sie neu waren, mochte Siegfried sie, und aus dem gleichen Grunde war ich mißtrauisch.
    Und meine Erfahrung mit den Dingern hatten meine Skepsis noch verstärkt. Heute sind die Anfangsschwierigkeiten längst überwunden, aber damals fand ich die Wegwerfspritzen so unberechenbar, daß ich nichts mit ihnen zu tun haben wollte.
    Mein Kollege machte sich über mich lustig, als er mich beim Auswaschen meiner Gummispritze überraschte.
    »Um Himmels willen, James. Sie wollen doch nicht etwa noch dieses alte Ding benutzen?«
    »Tut mir leid, aber ich tu’ es noch immer.«
    »Aber haben Sie nicht die neuen Plastikspritzen probiert?«
    »Ja, das habe ich.«
    »Und...?«
    »Kann mit ihnen nichts anfangen, Siegfried.«
    »Sie können nicht... was soll das heißen?«
    Ich ließ den letzten Tropfen Wasser durch den Schlauch laufen, rollte ihn auf und packte ihn weg. »Das letzte Mal, als ich das Plastikding benutzt habe, spritzte das Kalzium durch die ganze Gegend. Und es ist ein klebriges Zeugs. Ich hatte lauter weiße Streifen auf der Jacke.«
    »Aber James!« Er lachte. »Das ist doch verrückt! Jedes Kind kann mit den Dingern umgehen. Ich hatte nie die geringste Schwierigkeit.«
    »Das glaube ich Ihnen gern«, sagte ich. »Aber Sie kennen mich. Ich bin nun einmal nicht technisch begabt.«
    »Du liebe Güte, dazu braucht man doch keine Begabung. Die Dinger sind idiotensicher.«
    »Nicht für mich. Ich habe genug davon.«
    Mein Kollege legte mir die Hand auf die Schulter. »James, James. Sie müssen sich daran gewöhnen.« Er hob warnend den Finger. »Da ist nämlich noch ein anderer Punkt zu berücksichtigen.«
    »Und der wäre?«
    »Ihr System ist nicht keimfrei. Wie wollen Sie wissen, ob dieser Gummischlauch wirklich sauber ist?«
    »Nun, ich wasche ihn jedesmal aus, ich benutze eine sterilisierte Nadel und...«
    »Aber in der Plastikpackung ist das ja alles schon
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