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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt
Autoren: Robert Lyndon
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ihnen. Vallon ritt an seine Seite. «Danke, dass du Caitlin hergebracht hast.»
    «Sie hat sich selbst hierhergebracht, und wenn ich sie nicht begleitet hätte, wäre Syth persönlich mit ihr geritten.»
    Vallon blickte nach Süden. «Die liebe Syth. Schon der Gedanke an sie bringt einen zum Lächeln, und dieses Lächeln wird mich mein Leben lang begleiten.» Er klopfte Wayland aufs Knie. «Bestimmt vermisst sie dich schon. Reite so schnell wie möglich zurück.»
    Wayland betrachtete aufmerksam die Landschaft, um den Abschied noch ein wenig hinauszuzögern. «Wenn es Euch nichts ausmacht, reite ich noch ein Stückchen mit Euch weiter.»
    Sie ritten nach Westen, und gegen Abend kamen sie auf einen Hügel, vor dem sich die Hochebene unter ihnen in sanftem Grau und Violett ausbreitete. Die Sonne war schon halb hinter dem Horizont versunken, und über den Himmel in Pfirsich- und Lavendeltönen zogen sich ein paar langgestreckte, feuerrote Wolken. Vallon zügelte sein Pferd und sah Wayland entschlossen an. «Jetzt geht es wirklich ans Abschiednehmen.»
    Sie wünschten sich ohne große Gefühlsausbrüche Lebewohl, nur Caitlin drückte Wayland einen Kuss auf die Lippen und befahl ihm, Syth bis ans Ende seiner Tage in Ehren zu halten.
    Hero wischte sich ein Staubkorn aus dem Augenwinkel, und seine Stimme klang ein bisschen höher als gewöhnlich. «Also, sieht so aus, als ob sich das gute Wetter hält.»
    Vallon hob die Hand, um das zu überprüfen, und starrte auf seinen leeren Finger. «Der Ring ist weg.» Er sah über die Schulter. «Er muss mir vom Finger gerutscht sein.»
    Alle drehten sich um und blickten über die weite, karge Landschaft.
    «Habt Ihr eine Vorstellung, wo Ihr ihn verloren haben könntet?», fragte Hero.
    Vallon schüttelte den Kopf. «Bewusst habe ich ihn zuletzt heute Morgen bei unserem Aufbruch gesehen. Er könnte überall sein.» Dann schüttelte er sich und atmete tief ein. «Er ist weg. Es hat keinen Zweck, ihn zu suchen.»
    «Seid Ihr sicher? Der Ring ist wertvoll. Er hat Zauberkräfte.»
    «Und genau deshalb habe ich ihn verloren. Ich wette, das verdammte Ding ist jetzt schon wieder bei Cosmas.»
    Ein letztes Nicken in Waylands Richtung, ein letzter brennender Blick und eine Berührung mit der Hand, dann ritt Vallon mit Caitlin und Hero los. Die beiden drehten sich immer wieder zum Winken um, Vallon aber warf keinen einzigen Blick zurück, und das erwartete Wayland auch nicht von ihm.
    Wayland behielt sie über Meilen im Blick. Die Schatten, die sie hinter sich warfen, wurden länger, verschmolzen miteinander und lösten sich schließlich in der heranziehenden Dämmerung auf.
    Eine Bewegung in der Luft brachte ihn dazu, aufzusehen. Im letzten Licht glitt ein Falke auf der Wanderung in geschmeidigen Ellipsen herum, den Blick konzentriert auf den Boden weit unter sich gerichtet. Seine Flügel zuckten, und plötzlich schoss er vorwärts, ballte sich zu einem Geschoss zusammen und jagte in einer immer steiler werdenden Kurve abwärts, bis er so gerade wie ein Schnurlot auf die Erde zuraste. Dann verschlang ihn die Schattenflut über der Hochebene, und obwohl Wayland abwartete, tauchte der Falke nicht wieder auf. Als er wieder nach Westen sah, waren Vallon, Hero und Caitlin verschwunden.
    Er wartete noch ein bisschen länger. Eine einzelne Wolke, deren Ränder von den letzten Strahlen der unsichtbaren Sonne entzündet worden waren, glühte wie ein Stück verglimmendes Pergament. Als die Flamme erlosch, ließ Wayland sein Pferd wenden. Die Zwillingsgipfel lagen unter der Horizontlinie, und die Hügel schwangen sich so weich und zart wie Lampenruß in die Ferne.
    Auf seinem einsamen Ritt nach Hause kam er nur wenige Schrittlängen entfernt an Cosmas’ Ring vorbei, der im Wintergras am Wegesrand lag. Der Edelstein verzeichnete Waylands Vorüberkommen, sein Bild tauchte in länglicher Verzerrung auf, als er sich näherte, und zog sich dann zu einem immer kleiner werdenden Punkt zusammen. In wenigen Augenblicken war die Erscheinung Vergangenheit, und im Gras lag nur noch ein blankes, schwarzes Auge, in dem das Licht der Sterne schimmerte.
    Wayland ritt weiter, wünschte sich nach Hause zu Syth und bedauerte zugleich, dass die Reise zu Ende war. Ein einziges Mal schaute er zurück – um sich den Augenblick einzuprägen, um einen Schlussstrich zu ziehen, um die Erinnerungen für immer in seinem Herzen zu bergen. Bevor er weiterritt, hob er einen Arm zum Gruß.
    Hier oder in der anderen Welt.

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