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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt
Autoren: Robert Lyndon
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nickte.
    Sie humpelten zu ihrem Lagerplatz. Vallon schleppte sich wie ein Mann mit Holzbein auf seiner Krücke dahin. Stöhnend ließ er sich nieder, und Hero legte ihm eine Decke um die Schultern, bevor er das Lagerfeuer entfachte. Knisternd fraßen sich die Flammen durch die Gestrüppzweige. Sie rückten nahe an die Wärme, und Hero stellte einen Topf Reis auf das Feuer. Vallon stieß einen leisen Pfiff aus und zog die Schultern hoch. «Gott, ist das kalt.»
    Hero tastete immer wieder nach dem Päckchen unter seinem Gewand.
    «Willst du es dir nicht ansehen?», fragte Vallon.
    «Glaubt Ihr nicht, wir sollten damit warten, bis wir nicht mehr auf Seldschukengebiet sind?»
    Vallon sah zum Lagerfeuer ihrer Eskorte hinüber. «Boke kann weder lesen noch schreiben. Die Dokumente sagen ihm gar nichts. Sehen wir uns an, was wir haben.»
    Hero zog das Päckchen hervor und wickelte es aus. Darin befanden sich zwei Dokumente, das eine ein Brief, das andere ein Kodex im Buchformat. Er nahm zuerst den Brief heraus. «Es ist aus demselben Material wie der Brief von Priester Johannes, und es ist dieselbe Schrift.»
    «Was steht drin?»
    Hero kniff die Augen zusammen. «Hier ist eine Beschreibung der Wüste, die Reisende durchqueren müssen, bevor sie zu seinem Reich kommen:
Dort ist ein wasserloser See, und seine Wellen sind aus Sand, die sich zu niemals ruhenden Wogen auftürmen. In dieser Wüste hausen viele Kobolde und Dämonen. Drei Tage von dem Sandmeer entfernt müsst Ihr einen wasserlosen Fluss voller Steine hinaufgehen
 …»
    «Und was ist mit dem Evangelium? Das interessiert mich viel mehr.»
    Hero versteckte den Brief im Geheimfach seines Kastens und öffnete das Buch. «Es ist in Altgriechisch auf Papyrus geschrieben.»
    «Lies vor.»
    «Die Tinte ist verblasst. Ich brauche mehr Licht.»
    Vallon warf den Rest des Gestrüpps, das Hero gesammelt hatte, ins Feuer. Die Flammen schlugen vier Fuß hoch. Hero hielt die Seiten ins Licht. «Der Anfang lautet genauso, wie Cosmas ihn transkribiert hat. Dann geht es so weiter:
Dies sind die geheimen Worte, die der lebendige Jesus gesprochen hat, und Judas Thomas genannt Didymos hat sie aufgeschrieben und gesagt: ‹Wer immer diese Worte deuten kann, wird den Tod nicht kosten
.›»
    Er blätterte um und folgte der Zeile mit dem Finger. «Das ist interessant. Dieser Abschnitt beschreibt die Kindheit und Erziehung Jesu. Das tut keines der anderen Evangelien.»
    «Dann ist es wirklich ein ganz besonderer Fang.»
    Das Feuer begann wieder in sich zusammenzusinken. Hero hielt das Buch dichter daran und schlug es an einer zufälligen Stelle auf. Er starrte auf die Schrift, seine Lippen bewegten sich.
    Vallon rückte näher an ihn heran. «Behalt es nicht für dich.»
    Hero sprach leise, beinahe zögernd. «
Jesus sagte zu seinen Jüngern: ‹Vergleicht mich mit irgendeinem, und sagt mir, wem ich gleiche.›
    Simon Petrus antwortete: ‹Du bist wie ein redlicher Engel.›
    Matthäus gab zurück: ‹Du bist wie ein weiser Pilosoph.›
    Thomas war bekümmert und sagte: ‹Herr, mein Mund ist zu schwach um zu sagen, wem du gleichst.›
    Da nahm Jesus Thomas zur Seite und sagte ihm drei Dinge. Als Thomas zu seinen Gefährten zurückkehrte, fragten sie ihn: ‹Was hat Jesus zu dir gesagt?› Thomas antwortete: ‹Wenn ich euch auch nur eines der drei Dinge wiedersage, die er mir gesagt hat, werdet ihr Steine aufheben und sie auf mich werfen. Und ein Feuer wird aus den Steinen kommen und euch verbrennen.
›»
    Vallon beugte sich gespannt vor. «Und was hat Jesus zu ihm gesagt?»
    Hero war mit dem Buch näher und näher an das schwindende Licht gerückt. «Es nützt nichts. Ich kann nichts mehr erkennen.»
    «Ich zünde eine Lampe an», sagte Vallon. Er zog einen glimmenden Ast aus dem Feuer, hielt ihn an den Docht und reichte Hero die Lampe. «Mach da weiter, wo du aufgehört hast. Welche Geheimnisse hat Jesus an Thomas weitergegeben?»
    Hero hob das Buch, leuchtete die Seite an und musterte sie genau. Seine Augen weiteten sich, und sein Mund öffnete sich vor Erstaunen.
    Vallon lachte. «Was? Sind diese Geheimnisse so tiefgründig, dass du sie nicht mit einem Sünder teilen kannst, der eines Tages zur Hölle fährt?»
    Doch Hero sah nicht Vallon an. Seine Hand zitterte, als er sie hob. «Herr.»
    Vallon fuhr herum. Schwarz hoben sich vor dem Sternenhimmel ein Dutzend Reiter ab, die auf sie zukamen. «Gütiger Gott!»
    Faruq ritt in der Mitte der seldschukischen Linie. «Habt Ihr wirklich
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