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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt
Autoren: Robert Lyndon
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Warägergarde einzutreten, ist zum Teufel gegangen. Niemand würde einen Soldaten in meiner Verfassung in seinen Dienst nehmen.»
    Hero holte zu ihm auf. «Sie weiß, in welcher Verfassung Ihr seid. Sie will trotzdem bei Euch sein. Ich habe ihre Liebeserklärung gehört.»
    «Eine Liebeserklärung, in der Glut der Leidenschaft gesprochen. Inzwischen hatte sie Zeit zum Nachdenken, und ihr Verstand wird ihr gesagt haben, dass sie eine viel bessere Partie machen kann.»
    Hero ließ sein Pferd in schnelleren Trab fallen, sodass er Vallon ins Gesicht sehen konnte. «Das könnt Ihr nicht wissen. Gebt ihr wenigstens die Gelegenheit, ihre Wünsche selbst zu äußern.»
    Vallons düsterer Blick blieb starr geradeaus gerichtet. «Wir haben eine Abmachung getroffen. Wenn wir das Evangelium gefunden hätten, wäre ich zurückgekehrt. Aber wir haben es nicht, also ziehe ich weiter.»
    «Sie will aber vielleicht nicht an Suleimans Hof bleiben.»
    «Sie hat genügend Silber, um in aller Bequemlichkeit nach Konstantinopel zu gelangen.» Vallon wedelte mit der unverletzten Hand. «Vergiss Caitlin.»
    Darauf ritt Hero schweigend neben Vallon dahin. Es war wieder ein schöner Tag, ein wolkenloser Porzellanhimmel wölbte sich über den blendend weißen Salzpfannen. Flamingos schwärmten wie Zeilen rosafarbener Schriftzeichen über den Salzsee. Vallon trabte weiter und war sich der Seitenblicke Heros sehr bewusst. «Ich habe gesagt, ich will kein Wort mehr darüber hören.»
    «Ich denke nicht an Caitlin.»
    «Woran sonst?»
    «Ich habe an das Evangelium gedacht.»
    Vallon stieß ein galliges Lachen aus. «Ich auch.»
    «Nein, nicht auf diese Art.» Hero zögerte. «Ich weiß nicht, ob Ihr hören wollt, was ich denke.»
    «Diesen Verlust kannst du nicht mehr schlimmer machen.»
    Hero atmete tief ein, und dann sprach er es einfach aus. «Ich glaube nicht, dass wir es hätten verkaufen können. Und zwar, weil niemand aus der Kirche es kaufen würde.»
    Vallon starrte ihn an. «Du hast mir selbst gesagt, es sei eines der wichtigsten Bücher, die je geschrieben wurden.»
    «Aber wichtig aus den falschen Gründen. Wenn es jemand kaufen würde, dann nur, um es zu geheim zu halten. Oder um es zu zerstören.»
    «Den Bericht eines Apostels geheim halten? Ein Stück der Bibel zerstören?»
    «Die Bibel ist das Wort Gottes, aber die Kirche entscheidet, welche Worte die Welt hören soll. Ich habe über die Passagen des Thomasevangeliums nachgedacht, die ich lesen konnte, und bin zu dem Schluss gekommen, dass die obersten Kirchenherren ihrer Glaubensgemeinschaft diesen Text vorenthalten würden.»
    «Und warum?»
    «Erstens erklären alle vier kanonischen Evangelien, dass Jesus der Sohn eines bescheidenen Zimmermanns war, und Lukas sagt, er habe dieses Handwerk auch selbst ausgeübt. Keiner von ihnen spricht über die Kindheit oder die Erziehung Jesu. Sie müssen etwas über sein Leben in jungen Jahren gewusst haben, aber sie haben sich dafür entschieden, es zu verschleiern. Nicht aber Thomas. Er sagt, Jesus sei der Sohn eines
tekton
gewesen, eines Baumeisters oder Architekten, der außerdem die Thora unterrichtete, und dass Jesus in jüdischem Recht ausgebildet worden sei und ein angesehener Rabbi wurde.»
    Vallon zuckte zusammen, als sein linker Fuß heftig gegen die Flanke des Pferdes stieß. «Willst du damit sagen, dass Thomas ein Lügner und sein Evangelium eine Fälschung war?»
    «Nein. Ehrlich gesagt finde ich seine Version überzeugender als die anderen. Erinnert Ihr Euch an den Bericht von Lukas? Darüber, dass Jesus seinen Eltern als Zwölfjähriger einmal in Jerusalem verlorenging? Nach fünf Tagen haben sie ihn im Tempel wiedergefunden, wo er die Gelehrten mit seinem Wissen über religiöse Themen zum Staunen brachte. Die Ältesten hätten so ein Wunderkind ganz bestimmt in ihre Schulen geholt und es als zukünftigen religiösen Führer angesehen. Und an anderen Stellen der Evangelien wird Jesus oft ‹Rabbi› oder ‹Rechtsgelehrter› genannt. Weithin respektierte jüdische Gelehrte kamen, um ihn predigen zu hören. Das hätten sie bei einem Zimmermann nicht gemacht.»
    «Ich verstehe nicht, warum die Kirche ein Evangelium ablehnen sollte, das behauptet, Jesus wäre ein bedeutender Weiser und Lehrer gewesen.»
    «Das ist nicht der einzige Aspekt, in dem es von den Berichten der Bibel abweicht. Thomas nennt Jesus ‹den Menschensohn› statt ‹den Gottessohn›. Das ist ein wichtiger Unterschied, einer, der den Glauben bedroht,
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