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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst
Autoren: Silvia Stolzenburg
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etwas auf Augen und Mund.
    Zehra lief ein Schauer über den Rücken. Mit seinem schwarzen Gewand sah der Gottesmann aus wie eine riesige, bedrohliche Saatkrähe. »Legt den Boden mit Stroh aus und breitet das Büßertuch aus«, wies der Pater seine beiden Begleiter an. Sobald diese seine Anweisungen ausgeführt hatten, bestreute er das Tuch mit Asche und bedeutete den Männern, den Leichnam darauf zu betten. Dann griff er nach einem kleinen Fläschchen, entkorkte es und bespritzte den Verstorbenen mit der darin enthaltenen Flüssigkeit. Er erhob die Stimme.
    » Credo in Deum Patrem omnipotentem , ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater.« Die Anwesenden stimmten in das Gebet mit ein. » Creatorem caeli et terrae et in Iesum Christum, filium eius unicum Dominum nostrum qui conceptus est de Spiritu sancto natus ex Maria Virgine. Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen einzigen Sohn, unseren Herrn, der empfangen wurde vom Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria.« Einer seiner Begleiter fuchtelte mit einem Weihrauchfässchen über dem Toten herum. Um ein Haar hätte Zehra husten müssen. Während sie sich von dem beruhigend vertrauten Glaubensbekenntnis einlullen ließ, spürte sie jedoch unvermittelt, wie sich etwas im Raum veränderte.
    Hatten bisher Trauer und Schock über das unerwartete Ableben des Hausherrn beinahe greifbar in der Luft gelegen, schlug ihr mit einem Mal eine Wand des Misstrauens und der Feindseligkeit entgegen.
    So stark war der plötzliche Wandel, dass sie sich erschrocken an die Brust griff und trotz allen Grams den Kopf hob, um sich in der Kammer umzusehen. Als ihr Blick auf die blonde Magd fiel, die seit einigen Monaten das Bett ihres Vaters teilte, schlug diese die verweinten Augen nieder. Aber sie war nicht schnell genug, und Zehra sah nackte Angst darin aufblitzen. Verwirrt runzelte sie die Brauen. Die junge Frau neben der Blonden flüsterte ihrer Nachbarin etwas zu, bemerkte dann jedoch, dass mit dieser etwas nicht stimmte. Hastig zog sie den Mund von deren Ohr zurück. Als sie erkannte, was die junge Magd so sehr erschreckt hatte, verzog sie die Lippen zu einer schmalen Linie. Abfällig betrachtete sie Zehra, die diese offene Feindschaft zutiefst erschütterte. Es war nicht die Mischung aus Häme und geheuchelter Anteilname, welche das Mädchen trafen. Vielmehr waren es die unverhohlene Abscheu und die Tatsache, dass die Magd es nicht einmal für nötig hielt, diese vor ihr zu verbergen. Zwar war Zehra seit ihrer Kindheit an das Misstrauen ihrer Mitmenschen gewöhnt, da sie die dunkle Hautfarbe und das rabenschwarze Haar ihrer Großmutter geerbt hatte – der Frau, die ihr Großvater vor langer Zeit aus dem Harem des mächtigen osmanischen Sultans gestohlen hatte. Aber unter ihrem eigenen Dach war sie bisher von solcherlei offenkundiger Abneigung verschont geblieben. Sie schluckte trocken und bemühte sich um eine ausdruckslose Miene. Der brennende Klumpen der Trauer in ihrer Brust verdichtete sich wieder. Deshalb wandte sie schnell den Kopf von den beiden jungen Frauen ab. Was immer sie sich zugeraunt hatten, war im Moment unwichtig. Gleich morgen würde sie Martin bitten, die Magd zu entlassen. Doch bis dahin durfte sie sich durch nichts von der bevorstehenden Totenwache ablenken lassen. Sie musste sich von ihrem Vater verabschieden – ganz egal, wie sehr es schmerzte.

Kapitel 3
Ulm, ein Stadthaus, Februar 1447
    Stunden später ging die Sonne auf. Im Laufe der Nacht – während Zehra neben ihrem Bruder Utz gekniet und gebetet hatte – waren die Kirchenmänner verschwunden und zwei Bedienstete hatten den Verstorbenen gewaschen und in ein Leichentuch eingenäht. Jetzt lag der reglose Leichnam auf einer Bahre, an deren Kopfende ein riesiges Kruzifix ihn vor Dämonen und bösen Mächten schützte. Als der erste Sonnenstrahl auf das blendend weiße Tuch fiel, dachte Zehra einen Augenblick lang, ihr Vater hätte sich bewegt. Grenzenlose Erleichterung durchflutete sie wie eine Welle. Während ihr Puls sich beschleunigte, fuhr ihr freudige Erregung in die Glieder.
    Er hatte nur ein Spiel mit ihnen getrieben! Es war alles nur ein dummes Spiel! So wie früher, als sie und ihr Bruder klein gewesen waren und er sich im Heu der Ställe versteckt hatte, um sich erst zu zeigen, wenn sie die Suche aufgeben wollten.
    Sicherlich würde er jeden Moment das Tuch zerreißen, aufstehen und sie alle wegen ihrer Gutgläubigkeit auslachen.
    Doch der Sonnenstrahl wanderte
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