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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York
Autoren: Lyndsay Faye
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die sich in den Straßen herumtrieben, wenn man die bunten Haufen von Besuchern aus der ganzen Welt dazurechnete. Und weniger als fünfhundert nächtliche Ordnungshüter, die in vertikalen Särgen vor sich hin schnarchten, während ihre Träume wie Bowlingkugeln in ihren Lederhelmen herumsprangen. Und was die Gesetzeshüter bei Tag angeht, fragen Sie besser nicht. Es waren ganze neun an der Zahl.
    Doch wenn mein Bruder Valentine etwas unterstützt, dann ist dieses Etwas höchstwahrscheinlich keine gute Idee.
    »Ich dachte, Sie könnten einen grandigen Kerl gebrauchen, der Ihnen auf dem Weg durch die Menschenmenge Geleit gibt«, sagte ich zu Mercy. Halb im Scherz. Ich bin kräftig, und schnellbin ich auch, aber ein Bantamgewicht. Einen Zoll größer als Mercy, wenn’s hoch kommt. Doch Napoleon hat auch nie gedacht, seine Körpergröße könnte ihn vom Rheinland abhalten, und ich verliere Kämpfe etwa so oft wie er.
    »Ach ja? Nun, das war dann aber sehr freundlich.«
    Sie war nicht wirklich überrascht; das konnte ich an ihren Augen ablesen, die blau waren wie die Eier der Wanderdrossel, daher beschloss ich, auf der Hut zu sein. Mercy ist sehr schwer zu durchschauen. Aber ich komme gut zurecht in dieser Stadt, und mit Mercy Underhill auch. Ich wurde in einer trostlosen Hütte in Greenwich Village geboren, bevor New York von dort aus auch nur sichtbar war, und ich kenne Mercys Eigenheiten nun schon, seit sie neun Jahre alt war.
    »Heute Morgen muss ich dauernd über etwas nachdenken.« Sie machte eine Pause, ihre weit auseinanderstehenden Augen glitten in meine Richtung und wieder davon. »Aber vielleicht ist es dumm. Sie werden mich auslachen.«
    »Wenn Sie mich bitten, es nicht zu tun, halt ich mich dran.«
    »Ich frage mich, warum Sie mich nie beim Namen nennen, Mr. Wilde.«
    Im Sommer ist der Wind in New York nie erfrischend. Aber als wir in die Wall Street einbogen und eine Bank nach der anderen, eine griechische Säule nach der anderen an uns vorüberzog, wurde die Luft frischer. Oder vielleicht scheint es mir auch nur nachträglich so, aber plötzlich war alles nur noch Staub und heißer Stein. Sauber wie Pergament. Dieser Duft war Gold wert.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagte ich.
    »Oh. Ja. Tut mir leid – ich wollte nicht in Rätseln sprechen.«
    Mercys Unterlippe schlüpfte nur ein wenig unter die obere, nur ein kleines, warmes, feuchtes Stückchen weit, und in dem Moment meinte ich, ich könnte sie schmecken.
    »Sie hätten eben auch sagen können: ›Ich weiß gar nicht, was Sie meinen, Miss Underhill. ‹ Dann würden wir hier nicht länger darüber sprechen.«
    »Und was glauben Sie, woran das liegt?«
    In diesem Moment entdeckte ich ein zerklüftetes Loch im Straßenpflaster. Mit einem schnellen Schwenk lotste ich Mercy daran vorbei, was ihrem blassgrünen Sommerkleid ein Rauschen entlockte. Aber vielleicht hatte sie das kleine Schlagloch auch selbst gesehen, denn sie war nicht überrascht. Sie drehte nicht einmal den Kopf. Wenn man Mercy die Straße hinunterbegleitete, dann schenkte sie einem, je nachdem, wie ihre Laune war, nicht unbedingt viel Aufmerksamkeit. Und ich bin nicht gerade ein Sonntagsereignis, um es mal so zu sagen. Ich bin nie eine besondere Gelegenheit gewesen. Ich bin all die anderen Wochentage, von denen gehen viele vorbei, ohne dass man Notiz von ihnen nimmt. Aber daran konnte ich etwas ändern, zumindest hoffte ich das.
    »Soll ich daraus schließen, dass Sie sich gern über meinen Namen unterhalten würden, Mr. Wilde?«, fragte sie mich und sah aus, als müsse sie sich ein Lachen verkneifen.
    Jetzt hatte ich sie erwischt. Niemand durfte ihre Fragen mit Gegenfragen beantworten, ganz so, wie sie niemals zugab, dass sie überhaupt Fragen beantwortete. Das war ein weiterer von Mercys Fehlern, die mich so in Bann schlugen. Sie ist die Tochter eines Reverend, das ist gewiss, aber sie spricht so durchtrieben wie ein loses Weibsstück, wenn man nur schlau genug ist, das zu bemerken.
    »Wissen Sie, was ich gern tun würde?«, fragte ich und wandte den Trick gleich noch mal an. »Ich habe ein bisschen Geld beiseite gelegt, vierhundert in bar. Nicht wie diese Dummköpfe, die ihren ersten ersparten Dollar hernehmen und auf den Preis von China-Tee wetten. Ich möchte etwas Land kaufen, vielleicht auf Staten Island, und eine Flussfähre betreiben. Dampfschiffe sind teuer, aber ich kann mir Zeit lassen und eins für einen guten Preis suchen.«
    Ich erinnerte mich an die Zeit, als ich
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