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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York
Autoren: Lyndsay Faye
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ansässigen Stadtrats unterscheiden könnte, wenn sie beide vor mir stehen und einen Krug Alkohol verlangen. Barmänner werden bedeutend besser bezahlt, wenn sie pfiffig sind, und ich sparte alles Geld, das ich in die Finger bekam. Für etwas, das so grundlegend war, dass das Wörtchen wichtig nicht ausreichte.
    »Wenn ich du wär, ich tät den Beruf wechseln.«
    Die schwarzglänzenden Spatzenaugen verengten sich zu Schlitzen.
    »Den Melasseverkauf meine ich«, erklärte ich ihm. »Wenn die Ware nicht dir gehört, nehmen die Leute das übel.« Ein Ellbogen zuckte, mit jeder Sekunde wurde er flattriger. »Du hast eine Schöpfkelle, nehme ich mal an, und stibitzt was aus dem Fass, wenn der Verkäufer nach Wechselgeld sucht. Ich sag dir was, lass das mit dem Sirup sein und rede mit den Zeitungsjungen. Die machen auch einen guten Schnitt und müssen nicht fürchten, verprügelt zu werden, sobald die Verkäufer erst mal ihre kleinen Ganovengesichter kennen.«
    Der Junge rannte wild nickend davon, den schwitzenden Krug unter den Arm geklemmt. Ich stand da und kam mir recht weise vor, und gutnachbarlich dazu.
    »Völlig sinnlos, diesen Kreaturen gute Ratschläge zu geben«, tönte Hopstill vom anderen Ende der Bar herüber, wo er vor seinem morgendlichen Glas Gin saß. »Der wär besser auf dem Weg über den großen Teich ersoffen.«
    Hopstill ist in London geboren und kein großer Republikaner. Er hat ein schlaffes Pferdegesicht und leicht gelbliche Wangen. Das liegt an dem Schwefel in den Feuerwerkskörpern. Er arbeitete als Pyrotechniker, eingeschlossen in einer Dachkammer, wo er sich für die Aufführungen in Niblo’s Gardens hübsche Explosionen ausdachte. Für Kinder hat Hopstill nichts übrig. Ich dagegen mag sie gern leiden, da ich Ehrlichkeit sehr schätze. Hopstill hatauch für Iren nichts übrig. Da ist er allerdings keine Ausnahme. Ich finde es nicht sonderlich fair, den Iren vorzuwerfen, dass sie bereitwillig die niedrigste, schmutzigste Arbeit verrichten, wo doch die niedrigste, schmutzigste Arbeit das Einzige ist, was man ihnen anbietet, aber Fairness steht ja auch nicht an oberster Stelle bei dem, worauf es in unserer Stadt ankommt. Und auch die niedrigste, schmutzigste Arbeit ist heutzutage ganz schön schwer zu kriegen, denn das meiste davon haben sich schon die irischen Vorgänger unter den Nagel gerissen.
    »Dann lies mal den Herald «, sagte ich und gab mir Mühe, mich nicht zu ärgern. »Vierzigtausend Emigranten seit letztem Januar, und die sollen deiner Meinung nach ruhig alle Langfinger werden? Es gebietet einfach die Vernunft, dass man ihnen einen guten Rat gibt. Ich würde selbst auch lieber arbeiten als klauen, aber lieber klauen als verhungern.«
    »Eine sinnlose Übung«, spottete Hopstill und fuhr sich mit der Hand durch die Büschel aus grauem Stroh, die sein Haar darstellen sollten. »Lies du lieber selbst den Herald . Dieses faulige Stück Inselmorast namens Irland steht kurz vor einem Bürgerkrieg. Und jetzt hör ich aus London, ihre Kartoffeln haben die Kartoffelfäule. Hast du davon gehört? Die verfaulen einfach, verderben wie bei der Plage im Alten Ägypten. Nicht, dass das jemand wundern tät. Du wirst’s nicht erleben, dass ich was Freundliches über ein Volk sage, das so gründlich den Zorn Gottes auf sich herabgerufen hat.«
    Ich blinzelte. Aber ich war schon oft schockiert gewesen über die klugen Meinungen, die meine Bargäste über Mitglieder der katholischen Kirche zum Besten gaben, deren einzige atmende Exemplare, die sie überhaupt je zu Gesicht bekommen hatten, die irische Variante war. Gäste, die sonst – allem Anschein nach – vollkommen vernünftig waren. Das Erste, was Priester mit den Nonnen machen, ist, Unzucht mit ihnen treiben, und wer sein Werk besonders gründlich verrichtet, steigt schneller auf, so sieht das System aus – sie können sogar erst dann ordiniert werden, wenn sie ihre erste Vergewaltigung begangen haben. Herrgott, Tim, ichdachte, du wüsstest, dass der Papst sich vom Fleisch abgetriebener Kinder ernährt; das ist doch nun wirklich sattsam bekannt. Allein schon der Gedanke, einem Iren ein freies Zimmer zu vermieten! Nie und nimmer, sag ich, wo sie doch bei ihren Ritualen lauter Teufel heraufbeschwören. Und wo wir doch unseren kleinen Jem im Haus haben! Das Papsttum wird von vielen als eine kranke Abart des Christentums angesehen, in der der Antichrist herrscht, und wenn sie sich ausbreitet, wird sie die Wiederkunft des Herrn so gründlich
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