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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York
Autoren: Lyndsay Faye
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zunichtemachen, als zertrete man eine Ameise. Ich mache mir nicht die Mühe, auf diesen hanebüchenen Unsinn zu antworten, und zwar aus zwei Gründen: Diese Dummköpfe hätscheln ihre Überzeugungen wie Neugeborene, außerdem bekomme ich allein schon von dem Thema Kopfschmerzen. Ich werde sie sowieso nicht bekehren können. Derlei Gefühle hegen die Amerikaner gegenüber den Ausländern schon seit den Einwanderungsgesetzen von 1798.
    Hopstill deutete mein Schweigen fälschlich als Zustimmung. Er nickte und nippte weiter an seinem Gin. »Diese Bettler werden alles stehlen, was nicht niet- und nagelfest ist, sobald sie hier angekommen sind. Wir können uns unsere Ratschläge wirklich sparen.«
    Dass sie kommen würden, war keine Frage. Auf meinem Nachhauseweg vom Nick’s ging ich ziemlich oft an den Docks hinter der South Street vorbei, und da liegen die großen Schiffe mit Massen von Passagieren, die umherwuseln wie die Flöhe. So geht das schon seit Jahren, selbst während der großen Bankenpanik von 1837, als ich Männer habe verhungern sehen. Jetzt gibt es ja wieder Arbeit, es müssen Bahngeleise verlegt und Lagerhäuser gebaut werden. Aber ob sie die Emigranten nun bedauern oder in Schmähreden fordern, man möge sie ertränken, in einem sind sich alle Bürger einig: dass es heillos viele von ihnen gibt. Die meisten sind Iren und diese wiederum sämtlich katholisch. Und in noch einer Hinsicht sind sich fast alle einig: dass wir weder die Mittel noch den Wunsch haben, sie alle durchzufüttern. Sollte es noch schlimmer kommen, werden die Stadtvätergezwungen sein, das Geldsäckel zu öffnen und ein Begrüßungssystem einzuführen – etwas, womit man die Ausländer davon abhalten kann, sich in den Gassen am Hafen herumzutreiben und die Taschendiebe um Brotkrumen anzubetteln, bis sie selbst gelernt haben, wie man eine Geldbörse stibitzt. In der letzten Woche ging ich an einem Schiff vorbei, das gerade siebzig oder achtzig skelettartige Gestalten von der grünen Insel ausgespuckt hatte, und sie alle starrten mit glasigen Augen auf unsere Metropole, als wäre sie ein Ding der Unmöglichkeit.
    »Das ist aber nicht sehr barmherzig, Hops«, sagte ich.
    »Barmherzigkeit hat damit gar nichts zu tun.« Er blickte finster drein und stellte sein Glas mit einem spröden Knall auf den Tresen. »Oder sagen wir’s mal so: Diese besondere Stadt hat mit Barmherzigkeit nichts im Sinn, wenn Barmherzigkeit so offensichtlich Zeitverschwendung ist. Ich könnte leichter ein Schwein Mores lehren als einen Iren. Und ich nehme einen Teller Austern.«
    Ich schrie Julius, dem jungen Schwarzen, den ich zum Austernschrubben und Schalenknacken angestellt hatte, eine Bestellung über ein Dutzend Austern mit Pfeffer zu. Hopstill ist eine große Bedrohung für heitere Gedanken. Mir lag schon eine Bemerkung dazu auf der Zungenspitze. Doch just in dem Moment wurde in den Lichtspeer, der die Treppe hinunterzielte, eine schwarze Bresche geschlagen, und Mercy Underhill betrat meine Arbeitsstätte.
    »Guten Morgen Mr. Hopstill«, rief sie in ihrem reizenden Singsang. »Und Mr. Wilde.«
    Wäre Mercy Underhill noch etwas vollkommener, es würde einen langen Arbeitstag kosten, sich in sie zu verlieben. Doch sie hat gerade so viele Fehler, wie nötig sind, um es einem lächerlich einfach zu machen. Ihr Kinn ist gespalten wie ein aufgeschnittener Pfirsich, um nur ein Beispiel zu nennen, und ihre blauen Augen stehen ziemlich weit auseinander, was ihr einen leicht verwirrten Blick verleiht, wenn sie sich mit einem unterhält. Doch in ihrem Kopf existiert nicht ein einziger verwirrter Gedanke,noch so eine Besonderheit, die mancher Mann als Fehler ansehen würde. Mercy ist ausgesprochen belesen, blass wie ein Federkiel, wurde von Reverend Thomas Underhill mit gelehrten Abhandlungen großgezogen, und sollte einem Mann auffallen, wie schön sie ist, wird er es teuflisch schwer haben bei dem Versuch, sie mit Schmeichelworten zu bewegen, doch bitte einmal ihren Blick von den letzten Druckerzeugnissen von Harper Brothers Publishing zu lösen.
    Gleichwohl, wir geben unser Bestes.
    »Ich hätte gern zwei Pints ... zwei? Ja, das dürfte reichen. Vom Neuengland-Rum, bitteschön, Mr. Wilde«, sagte sie. »Worüber haben Sie gerade gesprochen?«
    Sie hatte kein Gefäß dabei, trug nur ihren offenen Weidenkorb mit Mehl und Kräutern darin, aus dem wie üblich die hastig niedergeschriebenen Entwürfe ihrer halbvollendeten Gedichte hervorlugten, also nahm ich einen
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