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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
Autoren: Rupert Mattgey
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Lächeln blieb.
     
    Erik bückte sich und hob das Bolzenschussgerät auf. Blut machte den Stahlzylinder klebrig. Er warf einen letzten Blick auf Benedikt Angerer, der selbst im Tod noch die Hand seiner Frau Agathe hielt, und trat auf den Flur hinaus. Seine Sicht war verschwommen. Ein verzweifeltes Schluchzen zwängte sich aus seinem Hals. Er wusste, dass er nicht hier sein sollte. Er sollte bei seiner Frau und bei seinem Kind sein. Der Gedanke, dass ihnen etwas zugestoßen sein könnte, schnürte ihm die Kehle zu. Der Qualm hing inzwischen so dicht im Flur, dass er die Tür zur Küche kaum ausmachen konnte. Er tastete sich Schritt für Schritt vor, bis er den Türstock zu fassen bekam. Das Kind strampelte unruhig in seiner Armbeuge, und er flüsterte beruhigend auf es ein. Die Flammen breiteten sich rasch aus und schlugen immer höher. Plötzlich barsten die ersten Fensterscheiben unter der Hitze, und der Sturm fand seinen Weg ins Haus und tobte durch den Flur, bis er sich in einen brausenden Glutofen verwandelte. Das Feuer griff auf die oberen Stockwerke über, und mit einem Mal brannte Benedikts Hof lichterloh.
    Erik rettete sich in die Küche, den einzigen Raum, in dem das Feuer noch nicht wütete. Über das Prasseln der Flammen hinweg hörte er ferne Schreie und gebrüllte Kommandos. Die blockierte Eingangstür wurde in Stücke geschlagen. Die Menschen von Thannsüß drangen in Benedikts Haus ein. Auf dem Flur nährten sich schwere Schritte. Eriks Augen tasteten fieberhaft den Küchenboden ab. Er suchte nach der verborgenen Falltür, von der ihm der Pfarrer vor langer Zeit erzählt hatte. Er suchte nach dem Tunnel, durch den Benedikt sich und seine Frau gerettet hatte, vor langer Zeit.
    Er trat den Küchentisch mit dem Fuß zur Seite. Gläser zersplitterten auf dem Boden. Dann stieß er ein triumphierendes Schnauben aus. Er bückte sich, packte den schmiedeeisernen Ring und zog die Falltür auf. Kühle Luft wehte ihm entgegen. Die Schritte auf dem Flur kamen näher. Die Schreie wurden lauter. Erik warf einen letzten Blick über die Schulter zurück. Dichter Qualm quoll aus dem Flur in die Küche.
    Erik sprang hinunter in die Dunkelheit. Er landete hart auf dem Lehmboden, stand ächzend auf und ließ seine brennenden Augen durch den Keller schweifen. Das Kind stieß ein Winseln aus. Flackerndes Licht fiel durch die geöffnete Falltür. Erik durchquerte das Gewölbe, vorbei an Regalen und Fässern, Säcken und Kisten. Blut und Schweiß liefen ihm in die Augen und nahmen ihm die Sicht. Das Bolzenschussgerät lag schwer und klebrig in seiner Hand. Er hielt das Kind fest an sich gedrückt. Es begann erneut zu schreien. Erik flüsterte beruhigende Worte und zog sein Feuerzeug aus der Hosentasche. Die kleine Flamme kämpfte schwach und sterbend gegen die Dunkelheit an. Er suchte verzweifelt nach einer Tür, einer Öffnung, einer Fluchtmöglichkeit. Irgendwo hier unten musste der Zugang zu dem Tunnel sein, durch den Benedikt vor vielen Jahren seine Frau Agathe getragen hatte.
    In der Ecke des Kellers entdeckte er einige Holzplanken an der Wand. Er zerrte die Säcke beiseite, die davor aufgestapelt waren. Eine schmale Holztür kam zum Vorschein. Erik zog sie auf, dahinter wartete die Dunkelheit.
    Er betrat den alten Tunnel. Die Flamme des Feuerzeugs war erloschen. Er drehte am Zündrad, und der Feuerstein schleuderte einen Funken in die Schwärze, der die Enge des Tunnels für einen Sekundenbruchteil aufleuchten ließ. Erik lief los und hielt eine Hand weit von sich gestreckt, um einen möglichen Aufprall abzufangen. Hinter ihm wurde das Prasseln der Flammen leiser. Er hastete blind durch die Dunkelheit. Alles, woran er denken konnte, war Marie, und die Angst brannte heiß und pulsierend in seinen Eingeweiden.
    Sein Keuchen klang laut in der Enge des Tunnels. In regelmäßigen Abständen betätigte er das Zündrad des Feuerzeugs. Der Feuerstein schickte Funken in die Finsternis, riss grelle Fragmente aus der Schwärze, die sich in Eriks Netzhaut brannten wie Fotografien. Er sah das Moos an den Wänden des Tunnels, die gewölbte Decke und die Wurzeln, die sich im Laufe der Jahrzehnte ihren Weg zwischen den Steinen hindurch gebahnt hatten. Sein Herz stampfte, und seine Lungen pumpten pfeifend Luft in seinen Brustkorb.
    Als er das Zündrad des Feuerzeugs erneut betätigte, blitzte der Umriss einer Tür am Ende des Tunnels auf. Erik rannte darauf zu. Ein letztes Mal schickte er einen Funken in die Schwärze. Dann hatte er
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