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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke
Autoren: R. Scott Bakker
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des Scylvendi mit Cutias Sarcellus hatte zutage treten lassen, dass der Kommandierende General der Tempelritter ein Hautkundschafter war! Stellt Euch das vor, Nautzera! Der Sieg des Scylvendi bewies, dass Dämonen versucht hatten, den Tod des Kriegerpropheten herbeizuführen. Es war genau, wie Ajencis sagt: An den Entstellungen, die der Mensch ihr zufügt, erweist sich die Reinheit.
    Er hielt inne und überließ sich kurz dem verärgerten Gedanken, Nautzera habe Ajencis sicher nie gelesen.
    Ja, ja, sagte der alte Hexenmeister mit lautloser Ungeduld.
    Danach befiel er sie wie ein Fieber. Plötzlich war der Heilige Krieg einig wie nie zuvor. Alle Hohen Herren – bis auf Conphas natürlich – fielen vor ihm nieder und küssten sein Knie. Gotian weinte freiheraus und bot dem Schwert des Anasûrimbor die entblößte Brust dar. Und dann zogen sie los. Was für ein Anblick, Nautzera! Groß und schrecklich wie unsere Träume. Sie waren ausgehungert und krank. Tote Männer, die sich schwankend durch die Tore in die Schlacht schleppten…
    Bilder fast schon gebrochener Krieger flimmerten durch das Dunkel: hagere Schwertkämpfer in riemenlosen Kettenhemden; Ritter auf ausgemergelten Pferden; das einfache Banner des Kriegerpropheten, das im Wind knatterte.
    Und dann?
    Dann geschah das Unmögliche. Niemand konnte sie aufhalten! Sie gewannen die Oberhand. Ich reibe mir noch immer verwundert die Augen…
    Und der Padirajah?, fragte Nautzera. Was ist mit Kascamandri?
    Der Kriegerprophet hat ihn mit eigener Hand getötet. Und nun rüstet sich der Heilige Krieg zum Marsch auf Shimeh und die Cishaurim. Es gibt niemanden mehr, der sich ihnen in den Weg stellen könnte, Nautzera. Der Krieg ist so gut wie gewonnen!
    Aber warum?, fragte der alte Hexenmeister. Wenn dieser Anasûrimbor Kellhus wirklich über die Rathgeber Bescheid weiß und glaubt, die Zweite Apokalypse stehe bevor – warum führt er dann diesen törichten Krieg fort? Vielleicht hat er das nur gesagt, um dich zu täuschen. Hast du das in Betracht gezogen?
    Er kann sie sehen. Während wir miteinander reden, gehen die Säuberungen weiter. Nein… ich glaube ihm.
    Nach dem Tod des Sarcellus waren etwa fünfzehn Adlige einfach verschwunden und hatten ihre Männer verwirrt zurückgelassen. Das hatte selbst die unerbittlichsten Orthodoxen in die Arme des Kriegerpropheten getrieben. Nach der Niederlage des Padirajah hatte man Caraskand und den Heiligen Krieg durchkämmt, dabei aber – soweit Achamian wusste – nur zwei der abscheulichen Hautkundschafter gefunden und… aus getrieben.
    Das… das ist außergewöhnlich, Akka! Was du da sagst… bald wird das gesamte Gebiet der Drei Meere gläubig sein!
    Oder es wird brennen.
    An die Bestürzung zu denken, mit der die Botschafter der Mandati bald empfangen würden, konnte grimmige Genugtuung bereiten. Jahrhundertelang waren sie überall verlacht und verspottet worden. Jahrhundertelang hatten sie alle Formen der Verachtung ertragen – sogar Beleidigungen, die das Jnan nur für die armseligsten Kreaturen vorsah. Nun aber… Sich gerechtfertigt zu sehen, ist ein starkes Rauschmittel. Und es würde für einige Zeit in den Adern der Mandati fließen.
    Ja!, rief Nautzera. Deshalb dürfen wir nicht vergessen, was wichtig ist. Die Rathgeber lassen sich nicht einfach so ausrotten. Sie werden versuchen, diesen Anasûrimbor zu töten – daran besteht kein Zweifel.
    Kein Zweifel, pflichtete Achamian ihm bei, obwohl ihm weitere Anschläge nicht in den Sinn gekommen waren.
    Also musst du zunächst alles tun, was in deiner Macht steht, um ihn zu beschützen, fuhr Nautzera fort. Er darf keinen Schaden nehmen!
    Der Kriegerprophet braucht meinen Schutz nicht.
    Nautzera hielt inne. Warum nennst du ihn so?
    Weil ihm kein anderer Name gerecht wird, dachte Achamian, nicht einmal Anasûrimbor. Aber etwas – unergründliche Unentschlossenheit vielleicht – ließ ihn schweigen.
    Achamian? Hältst du diesen Mann wirklich für einen Propheten?
    Ich weiß nicht, was ich denken soll…Es ist zu viel passiert.
    Jetzt ist nicht die Zeit für rührselige Dummheiten!
    Es reicht, Nautzera! Ihr habt ihn nicht gesehen.
    Nein… aber das werde ich.
    Wie meint Ihr das? Waren seine Ordensbrüder etwa auf dem Weg nach Caraskand? Der Gedanke, dass sie Zeugen seiner… Erniedrigung werden könnten, beunruhigte ihn.
    Doch Nautzera überging die Frage. Was halten die Scharlachspitzen eigentlich von all dem? Sein so fröhlicher wie sarkastischer Unterton wirkte fast
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