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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke
Autoren: R. Scott Bakker
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täuschen!
    Alle kann man täuschen, Achamian. Jeden Menschen.
    Habe ich denn gesagt, er sei ein Mensch ? Ihr habt ihn noch nicht erlebt! Er ist unvergleichlich, Nautzera. Ich bin es leid, das ständig wiederholen zu müssen.
    Dennoch musst du ihn für unsere Zwecke einspannen. Unser Krieg hängt davon ab. Alles hängt davon ab!
    Glaubt mir, Nautzera – wir verfügen nicht über die Fähigkeiten, diesen Mann zu besitzen. Er…
    Ganz kurz stand ihm ein betörendes Bild von Esmenet vor Augen.
    Er ist es, der besitzt.
     
     
    In den Hügeln wimmelte es von Herden des Feindes, und die Männer des Stoßzahns jauchzten, denn ihr Hunger war so gewaltig, dass er sich jeder Beschreibung entzog. Die Kühe schlachteten sie für das Siegesmahl, während sie die Bullen als Opfergaben für den hartherzigen Gilgaöl und die anderen Hundert Götter verbrannten. Sie stopften sich voll, bis sie erbrechen mussten, und stopften sich dann wieder voll. Sie tranken bis zur Bewusstlosigkeit. Viele knieten vor dem Banner des Kriegerpropheten, das die Richter überall aufgezogen hatten, wo sich Menschen versammelten. Sie riefen das Banner an und wirkten doch fast ungläubig. Wenn Gruppen von Feiernden sich im Dunkeln begegneten, riefen sie: »Wir sind der Zorn Gottes!« Und sie packten einander bei den Armen und wussten, dass sie ihre Brüder hielten, denn gemeinsam hatten sie das Gesicht in den Glutofen gehalten. Es gab keine Orthodoxen und keine Zaudunyani mehr.
    Sie waren wieder Inrithi.
    Die Männer aus Conriya tätowierten sich mit Tinte, die sie aus den Schreibstuben der Kianene geplündert hatten, mit einem X durchkreuzte Kreise auf die inneren Unterarme. Die Thunyeri setzten sich im Feuer erhitzte Messer an die Schulter und brachten sich drei stoßzahnförmige Wunden bei (eine für jede große Schlacht) – sie fügten sich also Narben nach Art der Scylvendi zu. Die Tydonni taten es ihnen bald nach. Auch die Galeoth und die Ainoni schmückten ihre Körper mit Zeichen ihrer Wandlung. Nur die Nansur hielten sich zurück.
    Ein Trupp Agmundrmänner entdeckte in den Hügeln die Standarte des Padirajah und brachte sie zu Saubon, der sie dafür mit dreihundert Akalen belohnte, dem Münzgeld der Kianene. Während einer spontanen Feier beim Fama-Palast ließ Prinz Kellhus die Seide vom Eschenstock schneiden und vor seinen Stuhl legen. Er setzte seine Sandalen auf das Bild, das ein Löwe oder Tiger gewesen sein mochte, und erklärte: »All ihre Symbole, all die heiligen Zeichen unserer Feinde sollt ihr mir zu Füßen legen!«
    Zwei Tage lang schleppten die gefangenen Fanim ihre gefallenen Landsleute vom Schlachtfeld und stapelten sie vor den Mauern Caraskands zu großen Haufen. Zahllose Aasvögel – Milane und Dohlen, Störche und große Wüstengeier – setzten ihnen bei der Arbeit zu und verdunkelten den Himmel wie Wanderheuschrecken. Trotz der Auswahl zankten sie sich wie Möwen.
    Die Männer des Stoßzahns feierten maßlos weiter, obwohl viele krank wurden und etwa hundert daran starben, nach dem langen Hungern – wie die heilkundigen Priester sagten – zu viel gegessen zu haben. Am vierten Tag nach der Schlacht auf der Ebene von Tertae ließen sie die Gefangenen zu einem großen Zug antreten und zogen sie nackt aus, um ihre Erniedrigung zu demonstrieren. Dann wurden die Fanim mit all der Beute beladen, die die Inrithi im Lager ihrer Feinde und auf dem Schlachtfeld gemacht hatten: mit Schatullen voll Gold und Silber, mit Seide aus Zeüm, mit stählernen Waffen aus Nenciphon und Salben und Ölen aus Cingulat. Mit Peitschen und Dreschflegeln wurden sie durchs Tor der Hörner und durch die Stadt zum Kaiaul getrieben, wo die Mehrheit der Inrithi sie mit höhnischem Jubel empfing.
    Massenweise wurden sie zum schwarzen Baum, dem Umiaki, gebracht, wo der Kriegerprophet auf einem einfachen Hocker saß, um sich ihr Flehen anzuhören. Wer auf die Knie fiel und den Propheten Fane verfluchte, wurde wie ein Hund zu den wartenden Sklavenhändlern geführt. Wer sich weigerte, wurde an Ort und Stelle umgebracht.
    Als alles vorbei war und die Sonne purpurn zwischen den dunklen Hügeln versank, verließ der Kriegerprophet seinen Platz und kniete im Blut seiner Feinde nieder. Er hieß seine Leute herantreten und malte jedem mit dem Blut der Fanim das Zeichen des Stoßzahns auf die Stirn.
    Selbst die unerschütterlichsten Männer brachen darüber in Tränen aus.
    Esmenet gehört ihm…
    Wie alle furchtbaren Gedanken besaß auch dieser einen ganz eigenen
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