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Der tanzende Tod

Der tanzende Tod

Titel: Der tanzende Tod
Autoren: Pat N. Elrod
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sein, dass es auf keinen Fall der Wahrheit auch nur entfernt nahe kommt.«
    »Hmm, dann sollte ich wohl Gott für einen solch großen Gefallen danken.«
    Wir gingen in Richtung des blauen Salons, Olivers Lieblingsaufenthaltsort, um auf die Ankunft seines Brandys zu warten. Mittlerweile hatte ich ebenfalls ein Stärkungsmittel dringend nötig. Das hohle Gefühl in meinen Knochen war bis in meine Muskeln vorgedrungen, und der Schmerz in meinem Kopf, entstanden durch die Beeinflussung, die ich auf Ridley ausgeübt hatte, schien schlimmer als zuvor. Ich wollte einen ordentlichen Schluck Blut zu mir nehmen, und zwar sehr bald; das dumpfe Pochen, welches sich hinter meinen Augen eingenistet hatte, drohte ein dauerhafter Gast zu werden.
    »Bitte entschuldige mich für einige Minuten«, sagte ich, als wir den Raum erreichten. »Ich möchte ein wenig frische Luft schnappen, um mein Gehirn auszulüften.«
    »Zu den Ställen gehen, um etwas zu trinken, meinst du«, korrigierte er mich.
    »Natürlich, du hast es dir mehr als verdient. Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dir zusähe?«
    »Großer Gott, warum, um alles in der Welt, solltest du so etwas wollen?«
    »Ich werde getrieben von wissenschaftlicher Neugierde«, bemerkte er würdevoll.
    »Ist dies die gleiche Neugierde, die es dir gestattet, Amputationen durchzustehen?«
    »In etwa die gleiche, ja.«
    Ich zuckte mit den Schultern, da ich mich der Aufgabe nicht gewachsen fühlte, ihm sein Vorhaben auszureden, und wie zuvor, als er sehen wollte, wie ich Ridley beeinflussen würde, gab es keinen Grund, ihm seine Bitte abzuschlagen. »Dann komme mit mir, wir wollen es hinter uns bringen.«
    »Ein solcher Eifer«, bemerkte er. »Du warst ganz anders, damals mit Miss Jemma in ›The Red Swan‹.«
    »Jenes passierte zum Vergnügen, dieses zum Ernähren. Da gibt es einen Unterschied.«
    »Das sagtest du bereits, aber freust du dich nicht so sehr wie jeder andere Mann auf ein schönes Abendessen?«
    »Doch, aber wie würdest du dich fühlen, wenn jemand dich ganz genau beobachtet, während du isst?«
    »Wenn es dir wirklich so viel ausmacht –«
    »Das tut es nicht, ich zögere lediglich, weil ich befürchte, dass der Vorgang dich abstoßen könnte. Aber andererseits kannst du einer Amputation beiwohnen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken ...«
    Olivers Wangen und Ohren färbten sich ein wenig rötlich. Ich hatte ihn ertappt, aber entschied mich dagegen, ihm bezüglich peinlicher Einzelheiten zuzusetzen. Wir trafen auf ein Dienstmädchen, welches unsere Umhänge holte, und hüllten uns gegen die draußen herrschende Kälte darin ein. Dann wagten wir uns in die Nacht hinaus.
    Die Luft war kalt und frisch, wie nur der neugeborene Winter es zustande bringt. Meine Lungen arbeiteten normalerweise nur dann, wenn ich Atemluft benötigte, um zu sprechen; nun nutzte ich sie für ein ordentliches Gebrüll, mit welchem ich die feuchten, muffigen Dämpfe vertrieb, welche aus dem Keller aufstiegen. Oliver musste wohl die gleiche verjüngende Wirkung spüren, denn wie die Schuljungen wetteiferten wir, um festzustellen, wer die größte Atemwolke ausstoßen konnte, als wir uns unseren Weg über den gefrorenen Boden zu den Ställen bahnten.
    Der Eisregen der vergangenen Nacht hatte die Welt in einen silbergeschmückten Garten verwandelt, der selbst die profansten Dinge verzauberte.
    Meine empfindlichen Augen ergötzten sich, wohin ich auch blickte, ein Glück, welches ein wenig gedämpft wurde, als mir bewusst wurde, dass Oliver nicht in der Lage war, es mit mir zu teilen. Nachdem mein zweiter Versuch, ihn auf einen fesselnden Anblick aufmerksam zu machen, eine Beschwerde seinerseits zur Folge hatte, er sähe nicht ein verdammtes Ding außer jenen, welche sich im Lichtkegel seiner Laterne befänden, gab ich es auf und behielt meine Wertschätzung für die Freuden der Natur für mich.
    Dennoch war die Anwesenheit meines Vetters mir nicht unwillkommen, insbesondere, was unser jetziges Ziel betraf. In dem Londoner Haus, das meine Schwester Elizabeth und ich mit ihm teilten, waren sämtliche Bedienstete sorgfältig von mir beeinflusst worden, damit sie einige meiner eigentümlicheren Angewohnheiten ignorierten, insbesondere meine Ausflüge nach Einbruch der Dunkelheit, um den Ställen einen Besuch abzustatten. Die Dienerschaft im Fonteyn-Haus war nicht so gut vorbereitet, was mich Olivers Gesellschaft als Versicherung gegen Entdeckung schätzen ließ. Er war hier nun, nach dem plötzlichen
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