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Der tanzende Tod

Der tanzende Tod

Titel: Der tanzende Tod
Autoren: Pat N. Elrod
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Hasses war es für ihn besonders schwierig gewesen, sich mit ihrem Tode auseinander zu setzen. Die Welt erwartete eine gewisse Reaktion von ihm, aber sein Herz gab ihm eine ganze andere ein. Er hatte sich mehrere Tage in ein Schneckenhaus zurückgezogen und sich in einer nebulösen Selbstzerfleischung geübt, bis ich genug davon hatte und die Sache in die Hand nahm, indem ich ihm eine ordentliche Standpauke hielt.
    Es war mir in genau diesem Raum gelungen, ihm seine Schuldgefühle zu nehmen. Die Bediensteten hatten bei der Beseitigung der Bescherung bemerkenswerte Arbeit geleistet. Nur ein wenig zerkratztes Holz auf dem Boden, einige Kerben im Rahmen eines von der Wand gerissenen Gemäldes und eine fehlende Vase, welche während unserer »Unterhaltung« zerbrochen war, zeugten davon, dass überhaupt etwas geschehen war. Meine Verletzungen von der Begegnung waren alle geheilt, und ich hoffte, dass es ihm mit den seinen ebenso erging, insbesondere den alten, welche ihm seine Mutter zugefügt hatte, diejenigen, welche in Olivers Seele anzuschwellen und zu gären gedroht hatten.
    Seine wieder erwachte Neugierde schien ein gutes Zeichen für seine seelische Gesundheit zu sein. Dies gehörte zu den Punkten, welche ich in meine Überlegungen einbezogen hatte, bevor ich mein Einverständnis dazu gab, dass er mir bei meiner Nahrungsaufnahme zusah. Auf welche Weise er auch immer davon in Mitleidenschaft gezogen würde, es konnte kaum schlimmer sein als alles, womit er sich hatte auseinander setzen müssen, während er in den dunklen Hallen des Fonteyn-Hauses aufgewachsen war. »Nun weit öffnen«, instruierte er mich, indem er mir mit einer Kerze gefährlich nahe kam.
    Ich öffnete meinen Mund weit und entblößte meine Zähne. Dann protestierte ich lautstark, als er die Flamme unangenehm nah an mein Gesicht brachte. »Du wirst mir die Augenbrauen versengen!«
    »Nein, das werde ich nicht«, beteuerte er. »Oh, na gut, halte still, und ich versuche etwas anderes.« Er zog einen kleinen Spiegel aus einer Tasche und drehte ihn so, als wolle er das Kerzenlicht dorthin reflektieren, wo er es benötigte. Leider waren seine beiden Hände bereits anderweitig beschäftigt, und er konnte keine richtige Untersuchung durchführen, um sich so seinem wissenschaftlichen Ziele zu nähern. »Verdammt, wenn ich doch bloß bei richtigem Tageslicht einen guten Blick darauf werfen könnte!«, beschwerte er sich.
    »Unmöglich«, erwiderte ich, in der Hoffnung, er würde nicht darauf bestehen, es zu versuchen. Die Sonne und ich waren nicht länger Freunde, aber wenn Olivers Eifer stärker wurde als sein Verstand, würde er dieses entscheidende Detail vielleicht vergessen und dementsprechend handeln.
    »Nicht reden.« Er setzte den Kerzenhalter auf einem kleinen Tisch ab und bat mich, mich hinüberzulehnen. Ich gehorchte. Indem er den Spiegel fest in einer Hand hielt, benutzte er die Finger der anderen, um nach einem meiner Eckzähne zu greifen und daran zu ziehen. Ich fühlte, wie er herabglitt. Überrascht ließ er ihn los und gaffte mit offenem Mund, als dieser langsam wieder an seinen Platz zurückglitt.
    »Wie die Kralle einer Teufelskatze, nur gerader«, meinte er voller Verwunderung und wiederholte die Aktion. »Schmerzt das?«
    »Nein.«
    »Wie fühlt es sich an?«
    »Verdammt merkwürdig«, lispelte ich.
    »Du solltest sehen, wie es aussieht«, bemerkte eine neue Stimme, die uns zusammenzucken ließ. »Die Bediensteten werden glauben, ihr beide wäret verrückt geworden.«
    Meine liebe Schwester Elizabeth stand in der Türöffnung und betrachtete uns mit ruhigem Blick. Einer ihrer Mundwinkel krümmte sich in höchster Erheiterung.
    »Hallo, süße Kusine«, sagte Oliver, auf dessen beweglichen Zügen sich ein Grinsen ausbreitete. Elizabeths Anwesenheit übte stets eine höchst aufheiternde Wirkung auf ihn aus. »Du hättest zu keiner besseren Zeit kommen können. Ich brauche dich, damit du diesen Spiegel hältst und ich so die Zähne deines Bruders ordentlich untersuchen kann.«
    »Was tust du da, um Himmels willen?«, fragte sie, wobei sie sich nicht von ihrem Platz an der Tür fortbewegte, Gott segne sie.
    »Wissenschaftliche Untersuchungen, mein liebes Mädchen. Ich möchte die Funktionsweise von Jonathans Zustand gründlich untersuchen, und da der liebe Gott mich nicht mit drei Händen ausgestattet hat, würde ich gerne eine der deinen für einen Augenblick borgen.«
    »Wissenschaftliche Untersuchungen? Wie faszinierend.« Mit einem
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