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Der Tag der Dissonanz

Der Tag der Dissonanz

Titel: Der Tag der Dissonanz
Autoren: Alan Dean Foster
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studierte. Er kannte nur die Hits, die Platinscheiben.
    Es gab nur eine Möglichkeit, nur eine Wahl. Ein Song voller vager Andeutungen anstelle von plumpen Anspielungen, mysteriös und nur schwer zu verstehen. Etwas, was den Dschinn zum Nachdenken bringen würde.
    Er ließ die Finger über die Duarseiten streichen. Seine Kehle war zwar ausgetrocknet, doch die Heiserkeit war verschwunden.
    »Paß bloß auf, Kumpel«, warnte Mudge.
    Zu seiner eigenen Überraschung stellte Jon-Tom fest, daß er den Otter anlächeln konnte. »Kein Problem, Mudge.«
    »Was kannst du dem denn schon vorsingen, was er noch nicht kennt, Kumpel?« Der Otter wies mit einer Handbewegung auf die endlosen Regale voller Waren aus unbekannten Dimensionen. »Was kannst du ihm schon mit einem Lied geben, was er 'ier nicht sowieso schon 'at?«
    »Einen anderen Bewußtseinszustand«, antwortete Jon-Tom leise und begann zu singen.
    Er sorgte sich, daß die Duar vielleicht die erforderlichen esoterischen Akkorde nicht richtig würde wiedergeben können, doch diese Befürchtung erwies sich als grundlos. Das unendlich flexible, wundervoll vielseitige Instrument gab die Klänge, die er aus dem Gedächtnis zitierte, mit absoluter Genauigkeit wieder und verstärkte sie, so daß sie die ganze Kammer um ihn herum erfüllten. Es war ein seltsames, wimmerndes Stöhnen, eine elektrisierende Kreuzung zwischen einer anderweltlichen Baßfiedel, die von einem Wesen mit zwölf Händen gespielt wurde, und dem Schnarchen eines schlafenden Brontosaurus. Es gab nur einen einzigen Menschen, der jemals solche Klänge hervorgebracht hatte, und Jon-Tom strengte Finger und Lippen bis zur äußersten Grenze an, um sie wiederzugeben.
    »If you can just get your mind together«,* säuselte er den Dschinn an, »and come over to me, we'll watch the sunrise together, from the bottom of the sea.«
    [* psychedelischsurrealistischer Song ( ›Are You Experienced?‹ ) von Jim: Hendrix mit unübersetzbarem, mehrschichtigem Text. - Anm. d. übers . ] Die Worte und Klänge sagten Roseroar nichts, aber sie spürte, daß es sich dabei um etwas ganz Besonderes handelte. Die Kammer um sie herum wurde plötzlich von Splittern und Speeren gebrochenen Lichts erhellt. Gnietschies, die Boten der Magie, waren erschienen und umschwärmten Jon-Tom in all ihrer unsichtbaren Schönheit.
    Es war ein Zeichen dafür, daß das Lied seine Wirkung nicht verfehlte, und es beflügelte Jon-Tom, seine Anstrengungen zu verstärken. Harun Ar-Roojinn beugte sich vor, wie um zu protestieren, wie um in Frage zu stellen - und hielt inne. Hinter den feurigen gelben Augen war das erste Flackern der Verunsicherung auszumachen. Jon-Tom fuhr fort zu singen.
    »First, have you ever been experienced? Have you ever been experienced?« Der Dschinn schwebte auf nichtexistierenden Sohlen zurück. Seine großen brennenden Augen wurden leicht glasig, als wäre jemand dabei, sie mit Wachspapier zu überziehen.
    »Well, I have«, murmelte Jon-Tom. Die Töne hallten von den Wänden wider, von den Ohren des Dschinn, der eine wohlige Gleichgültigkeit gegenüber seiner Umgebung entwickelt zu haben schien.
    Jon-Toms eigener Gesichtsausdruck begann sich beim Singen zu verändern, als er sich der Worte und der Akkorde erinnerte. So verging eine kurze Ewigkeit. Endlich griff Mudge ein, um die Trance zu beenden.
    »Das war's, Kumpel«, flüsterte er. Er schüttelte Jon-Tom hart durch. »Komm schon, Chef, komm endlich zu dir!« Jon-Tom spielte weiter, einen verzückten Ausdruck auf dem Gesicht. Der Dschinn schwebte wie ein riesiges, rostiges Luftschiff vor ihm, die Arme vor der Brust verschränkt, die großen Krallen ineinandergebettet, flüsternd.
    »SCHÖN... Schön... schön. ..«
    »Nun komm endlich, Kumpel!« Der Otter drehte sich zu Roseroar um, die mit ausdruckslosen Augen sanft im Takt der Musik wiegte. Ein dünnes Rinnsal aus Speichel lief ihr aus dem Mundwinkel. Mudge versuchte, ihr einen Tritt ins Hinterteil zu verpassen, doch sein Bein war zu kurz dafür. Also begnügte er sich damit, Wahnwitz eine Ohrfeige zu geben.
    »Was... was ist los?« Sie blinzelte. »Hör auf, mich zu schlagen!« Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf den schwebenden Dschinn. »Was ist denn mit dem los? Er sieht so sonderbar aus.«
    »Da ist er nicht der einzige«, bellte Mudge. »'ilf mir gefälligst, die anderen aufzuwecken.«
    Es gelang ihnen, Drom, Charrok und Roseroar wieder ins Wachbewußtsein zurückzuholen, doch Jon-Tom weigerte sich standhaft, wieder
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