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Der Tag der Dissonanz

Der Tag der Dissonanz

Titel: Der Tag der Dissonanz
Autoren: Alan Dean Foster
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tatsächlich ein Freudenhaus, oder?«
    Die Stimme des Mäuserichs war erstaunlich tief und rumpelte aus dem winzigen grauen Körper hervor. »Hier tun alle möglichen Leute herkommen«, murmelte er verdrossen, »alle möglichen Leute. Was hast du denn gedacht, Kerlchen? Eine Bibliothek vielleicht?«
    »Eigentlich nicht. Gibt ja keine Bücher.«
    Der Türstehermäuserich grinste und offenbarte dabei spitze Zähne. »Oh, Bücher tun wir auch haben. Mit Bilder. Haufenweise Bilder, wenn du auf so was stehen solltest.«
    »Im Augenblick nicht.« Aber er war neugierig geworden. Vielleicht später, wenn er Mudge gefunden hatte.
    »Sieht so aus, als wärst du auf Reisen. Willst du was zu essen und zu trinken?«
    »Danke, nein, ich bin nicht hungrig. Eigentlich suche ich einen Freund.«
    »Jeder tut zur Eleganten Hündin kommen, um sich einen Freund zu suchen.«
    »Du verstehst mich nicht. So habe ich das nicht gemeint.«
    »Dann sag mir, wie du es meinst. Wir stellen uns hier auf alle Arten von Meinungen ein.«
    »Ich suche einen Kumpel, einen Bekannten«, sagte Jon-Tom erzürnt. Dieser Mäuserich dachte anscheinend immer nur an das eine.
    »Ach, verstehe. Also keine Zerstreuung, eh? Das hier ist aber kein Bethaus.«
    »Bist ein guter Geschäftsmann«, versuchte Jon-Tom ihn zu beschwichtigen. »Später vielleicht. Ich muß schon sagen, du bist mir der kleinste Koberer, der mir jemals untergekommen ist.«
    »Ich bin nicht klein, und ich bin auch kein Koberer«, erwiderte der Mäuserich mit einer gewissen Würde. »Wenn du mit der Madame sprechen willst...«
    »Nicht unbedingt«, sagte Jon-Tom, obwohl er sich nicht nur fragte, wie sie wohl aussah, sondern auch, was sie wohl war.
    »Der Typ, hinter dem ich her bin, trägt eine spitze Mütze mit einer Feder, eine Lederweste, schleppt überall, wo er geht und steht, einen Langbogen mit sich herum und ist ein Otter. Er heißt Mudge.«
    Der Mäuserich putzte sich ein Schnurrhaar und kratzte sich hinter einem Ohr. Zum ersten Mal bemerkte Jon-Tom die kleinen Ohrpfropfen. Das leuchtete ein. Wenn man das empfindliche Gehör des Mäuserichs berücksichtigte, war es klar, daß er die Pfropfen brauchte, um in dem ständigen Lärm nicht taub zu werden.
    »Name und Beschreibung sagen mir nichts, aber es gibt tatsächlich gerade einen Otter hier. Auf Zimmer dreiundzwanzig im ersten Stock.«
    »Prima. Danke.« Jon-Tom wäre beinahe in die vorgestreckte Handfläche des Mäuserichs gelaufen. Er legte ein kleines Silberstück darauf und sah, daß es sofort verschwand.
    »Danke. Wenn ich irgend etwas für dich tun kann, nachdem du möglicherweise deinen Freund getroffen hast, tu es mich bitte wissen lassen. Ich heiße Warz und bin hier der Majordomus.«
    »Später vielleicht«, versicherte Jon-Tom, während er die mit Schnitzwerk verzierte Treppe hinaufstieg.
    Er hatte nicht vor, den Majordomus beim Wort zu nehmen. Nicht daß er etwas gegen die Art von Vergnügungen einzuwenden hatte, die dieses Haus bot. Seine lange Trennung von Talea setzte ihm körperlich wie seelisch zu, aber dies war nicht der Ort, um sich irgendwelchen fleischlichen Phantasien hinzugeben. Zwar sah alles sehr nobel und sauber aus, aber man wußte schließlich nie, wo man sich irgendeine interessante Variante einer Geschlechtskrankheit einfangen konnte, und nicht nur die menschlichen Sorten. Mangels moderner medizinischer Versorgung stand ihm nicht der Sinn danach, einen kräftigen Tripper mit Zaubergesängen kurieren zu müssen.
    Also beherrschte er seine Libido, während er zum Treppenabsatz im ersten Stock gelangte und sich auf die Suche nach der richtigen Tür machte. Bei dieser Suche wurde er durch einen Anblick unterbrochen, der ihn daran erinnerte, daß er sich hier an einem wirklichen Ort befand und nicht auf einem durch Drogen erzeugten Ausflug in einen Traumzoo.
    Ein paar Wesen waren an ihm vorbeigegangen, und er hatte sie nicht beachtet. Nun kam ihm im Gang eine außergewöhnlich wohlproportionierte junge Frau entgegen, die Anfang zwanzig sein mußte. Sie war kaum anderthalb Meter groß und nur in einen pfirsichfarbenen Seidenmantel gehüllt. Der Rauch der kleinen Pfeife, die sie rauchte, trug nur wenig dazu bei, das Bild ihrer hüpfenden, bebenden Weiblichkeit zu verschleiern.
    »Na, was starrst du mich so an, du großer, dünner, stattlicher Mann?«
    Jon-Tom fiel ein, daß dies wohl nicht nur als rhetorische Frage gemeint war, und er murmelte eine Erwiderung, die zwischen Zunge und Zähnen völlig durcheinander
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