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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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Herzen liegt?«
    »Sie wird es mir, hoffe ich, in einer Stunde sagen.«
    »Du gehst also hin?«
    »Unverzüglich. Wie käme ich dazu, einer so hohen Dame nicht zu gehorchen?«
    »Nimmst du mich mit, Pierre?«
    »Nein, Miroul«, sagte ich, obwohl ich wußte, wie ihn das betrübte. »Es könnte sein, daß die Herzogin vor einem Zeugen nicht offen reden will, namentlich vor einem von mir mitgebrachten.«
    Es verstand sich von selbst, daß die drei Lothringer Prinzessinnen (auch wenn zwei es nur durch Eheschließung waren) auf seiten der Liga standen. Doch obwohl sie dem feindlichen Lager angehörten, hatte der König mir seinerzeit, während der Belagerung der Stadt, den Auftrag erteilt, sie zu verproviantieren, sowohl aus natürlicher Gutmütigkeit und großer Liebe zur Weiblichkeit wie aus politischem Kalkül und weiser Voraussicht. Und so treulich ich meine Pflicht gegen jede der drei auch erfüllt hatte, hegte ich für sie doch sehr unterschiedliche Gefühle. Die erste betete ich an, die zweite verabscheute ich. Und wiewohl die dritte – jene eben, die jetzt meine Hilfe suchte – mir sehr gefiel, kannte ich sie nur wenig.
    Die erste Frau von Nemours – Gegenstand meiner glühenden, platonischen Anbetung – hieß beim Pariser Volk, das ja gern über alles und alle lästert, die »Königinmutter«, weil sieGemahlin, Mutter und Großmutter dreier Herzöge von Guise war, die alle drei unter der Ägide der Heiligen Liga nach dem Thron Frankreichs getrachtet hatten. Der einzige Überlebende dieser Dynastie war ihr Enkel Charles, dreiundzwanzig Jahre alt und just der Sohn jener Herzogin, die ich besuchen ging.
    Die zweite war die Montpensier, Tochter von Madame de Nemours, die bei den »Politischen« nur die Hinkefuß hieß und die mich bei unserer ersten Begegnung regelrecht gezwungen hatte, zu ihr ins Bett zu steigen. Als sie indessen von Mademoiselle de La Vasselière erfuhr, mit welchem Eifer ich Heinrich III. diente, versuchte sie vergeblich, mich umzubringen, und setzte Jahre später die Ermordung meines sehr geliebten Herrn ins Werk, ein verbrecherisches Unterfangen, das ihr nur zu gut glückte.
    Die dritte – aber muß ich über sie erst Worte verlieren, da ich eben an ihr Tor klopfe und von zwei langen Lakaien in Guise-Livree, mit einem großen Lothringer Kreuz auf dem Rücken, auch sogleich zu ihr geführt werde?
    Die Herzogin erwartete mich nicht etwa im großen Saal, sondern in einem kleinen Kabinett, wo ein gutes Feuer brannte – schließlich war dieser Mai geradezu winterlich kalt –, und für eine Dame ihres Ranges war sie, möchte ich sagen, recht bescheiden gekleidet. Ihr mattgrünes Brokatgewand war mit wenigen Goldborten galoniert, den Ausschnitt zierte ein im Nacken aufgestellter Venezianer Spitzenkragen, und während die Prunkkleider unserer hohen Damen am Hof für gewöhnlich so mit Steinen überladen sind, daß die Ärmsten sich kaum bewegen können, ließ besagtes Gewand der Herzogin alle Bewegungsfreiheit, zumal Frau von Guise, wie mir schien, sich um des häuslichen Behagens willen auch nicht von Zofen in eine dieser unmenschlichen Baskinen hatte einschnüren lassen, welche die Taille unserer Schönen schmaler machen, ihren Busen anheben und ihre Hüften bauschen.
    Was ihren Schmuck anging – ein großer, diamantenumkränzter Rubin an der rechten Hand, ein dreireihiges Perlenkollier um den lieblichen Hals, wippende goldene Ringe an den niedlichen Ohren –, so werden Sie einräumen, schöne Leserin, daß dies wenig war für eine Herzogin und daß Frau von Guise an diesem frühen Nachmittag anderen Prinzessinnen ein Beispiel erstaunlicher Schlichtheit gegeben hätte.
    Drei Jahre älter als ich, war sie derzeit sechsundvierzig, und obwohl unsere entzückenden Galane am Hof behaupteten, eine Frau über Dreißig sei ihrer Aufmerksamkeit nicht mehr wert, gestehe ich unumwunden, wäre ich Herzog gewesen, ich hätte ihr die meine mit größtem Vergnügen zugewendet. Groß gewachsen war sie nicht – ihr Sohn, Charles von Guise, hatte ihre Kleinheit zu seinem Unglück geerbt –, doch bei ihr war diese ein zusätzlicher Reiz, so zierlich und dennoch rundlich, wie sie war, so lebhaft und ungekünstelt in ihren Manieren, dazu diese lavendelblauen Augen und ein geradezu naiver Freimut, ein Mund, der von Güte sprach, und herrliche blonde Haare, üppig und gelockt, in welche man gern zärtlich beide Hände getaucht hätte.
    »Ha, Monsieur!« sagte sie, indem sie mir ihre Hand zum Kuß reichte, die
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