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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher
Autoren: Jeffery Deaver
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harmonierten - Politik (sie spendeten nahezu den gleichen Betrag an die Demokratische Partei und zusätzlich etwas für die Wahlkampagnen), Filme, Essen, Reisen. Sie waren beide nicht praktizierende Protestanten.
    Als ihre Knie einander erneut berührten, rieb Arthur sein Bein verführerisch an ihrem.
    Dann lächelte er und fragte: »Übrigens, was ist mit diesem Gemälde, dem Prescott?
    Hast du es bekommen?«
    Sie nickte mit leuchtenden Augen. »Jawohl, ich bin jetzt stolze Besitzerin eines Harvey Prescott.«
    Nach New Yorker Begriffen war Alice Sanderson keine reiche Frau, aber sie hatte ihr Geld gut investiert und frönte einer großen Leidenschaft. Prescott, ein Maler aus Oregon, dessen Karriere sie lange verfolgt hatte, war auf fotorealistische Familienbilder spezialisiert gewesen - nicht von echten Leuten, sondern von aus-gedachten Personen. Manche der Werke fielen eher traditionell aus, andere weniger -
    sie zeigten Alleinerziehende, Eltern von unterschiedlicher Hautfarbe oder homosexuelle Paare. Was sich von Prescott überhaupt noch auf dem Markt befand, war für Alice meistens viel zu teuer, aber sie stand auf den Mailinglisten der Galerien, die gelegentlich neue Angebote hereinbekamen. Letzten Monat hatte sie aus dem Westen der USA die Nachricht erreicht, demnächst könne für einen Preis von hundertfünfzigtausend Dollar ein kleines frühes Ölgemälde erhältlich sein. Der Eigentümer entschied sich tatsächlich für den Verkauf, und Alice machte einen Teil ihrer Anlagen zu Geld, um die Summe aufzubringen.
    Das war die Lieferung, die sie heute erhalten hatte. Doch der 5
    Gedanke an den Zusteller ließ die Freude über den Neuerwerb schlagartig wieder verblassen. Sie erinnerte sich an den Geruch des Mannes, an seine lüsternen Blicke.
    Alice stand auf und ging zum Fenster, als wolle sie die Vorhänge ein Stück weiter aufziehen. Dabei sah sie nach draußen. Keine Lieferwagen, keine Glatzköpfe, die an der Straßenecke standen und zu ihrer Wohnung herauf starrten. Sie überlegte, ob sie das Fenster schließen und verriegeln sollte, aber das würde gewiss etwas eigenartig wirken und eine Erklärung erfordern.
    Sie kehrte zu Arthur zurück, wies auf die Zimmerwände und erzählte ihm, sie sei sich nicht sicher, wo in ihrem kleinen Apartment sie das Gemälde aufhängen solle. Vor ihrem inneren Auge lief ein kurzer Film ab: Arthur blieb eines Samstags über Nacht und half ihr am Sonntag nach dem Brunch dabei, den perfekten Platz für das Bild zu finden.
    »Möchtest du es mal sehen?«, fragte sie fröhlich und voller Stolz.
    »Unbedingt.«
    Sie standen auf, und Alice ging voran zum Schlafzimmer. Ihr war so, als würde sie draußen auf dem Hausflur Schritte hören. Die anderen Mieter hätten um diese Tageszeit eigentlich bei der Arbeit sein müssen.
    War das etwa der Paketbote?
    Nun ja, wenigstens war sie nicht allein.
    Sie erreichten die Schlafzimmertür.
    In diesem Moment biss die Giftspinne zu.
    Alice war urplötzlich klar, was sie die ganze Zeit gestört hatte, und es hatte nichts mit dem Paketzusteller zu tun gehabt. Nein, es ging um Arthur. Er hatte sie gestern gefragt, wann der Prescott eintreffen würde.
    Zuvor hatte sie ihm zwar erzählt, dass sie sich ein Gemälde kaufen wolle, aber den Namen des Künstlers hatte sie nie erwähnt. Sie hielt an der Schlafzimmertür inne. Ihre Hände wurden feucht. Falls er von selbst etwas über das Bild herausgefunden hatte, dann vielleicht auch über andere Aspekte ihres Lebens. Was war, falls die vielen Gemeinsamkeiten gelogen wären? Falls er schon vorher gewusst hätte, dass sie diesen spanischen Wein
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    mochte? Falls er nur deswegen bei der Weinprobe aufgetaucht wäre, weil er sich an sie heranmachen wollte? All die Restaurants, die sie beide kannten, die Reisen, die Fernsehserien. .
    Mein Gott, und jetzt führte sie einen Mann, den sie erst seit ein paar Wochen kannte, in ihr Schlafzimmer. Völlig schutzlos. .
    Das Atmen fiel ihr schwer. . Sie zitterte.
    »Oh, das Bild«, flüsterte er und schaute an ihr vorbei. »Wie wunderbar.«
    Als sie seine ruhige, wohltönende Stimme hörte, lachte Alice innerlich auf. Bist du von allen guten Geistern verlassen? Sie musste Arthur irgendwann Prescotts Namen genannt haben. Ihre Verunsicherung schob sie beiseite. Beruhige dich. Du lebst schon zu lange allein. Denk an sein Lächeln, seine Witze. Er tickt so wie du.
    Bleib locker.
    Ein leises Lachen. Alice musterte das sechzig mal sechzig Zentimeter große Ölgemälde, die
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