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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller
Autoren: John Katzenbach
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dem üblichen Trainingsrhythmus, sondern glich eher einem Ringkampf mit dem warmen, dunklen Element, das ihn umfing.
    Walter Robinson kam schnell voran. Er merkte, dass der Scheinwerferstrahl diffuser wurde, sowie am Horizont der Morgen graute. Er achtete nicht weiter darauf, sondern spannte mit jedem Zug sämtliche Muskeln an, um das Letzte aus sich herauszuholen. Einmal rief er laut: »Ich komme, Simon! Halt durch!« Doch die zusätzliche Anstrengung, den Kopf zu heben und zu brüllen, verringerte sein Tempo, und so tauchte er den Kopf erneut in die Wellen und horchte nur noch auf das Eintauchen seiner Hände und das Treten seiner Füße und seine rauhen, angestrengten Atemzüge.
     
    Simon Winter hatte den Kopf ins Wasser gelegt und blickte kurz in den Himmel empor, doch eine kleine Welle überspülte sein Kinn, und er spuckte hustend einen Schwall Salzwasser aus. Er versuchte, mit einem Arm zu paddeln, während er mit der anderen Hand die Wunde bedeckte, doch das war schwierig, und er hatte das Gefühl, als griffen unter Wasser Hände nach ihm und schlugen ihm vor, er solle sich einfach entspannen und fallen lassen. Wieder trat er mit den Füßen, während er das Gesicht nur knapp über Wasser hielt, und zum ersten Mal in dieser Nacht der Verfolgungsjagd und des Kampfes auf Leben und Tod fühlte er sich alt und wurde sich bewusst, dass die Jahre ihm schwache Muskeln und schnelle Erschöpfung bescherten.
    Er atmete langsam aus, und im selben Moment hörte er Walter Robinson seinen Namen rufen. Er versuchte zu antworten, doch der Ozean schien ein solches Getöse zu verbreiten, dass er dagegen machtlos war. Immerhin schaffte er es, einmal kurz die Hand zu heben und zu winken. Im nächsten Augenblick sah er über die Wellenkämme wilde weiße Strudel, und der Detective war an seiner Seite.
    »Ich bin hier!«, brachte Simon Winter hervor, auch wenn es statt eines lauten Rufs nur ein Flüstern war.
    »Halt durch!«, hörte er Robinson antworten, und das tat er. Er schloss für einen Moment die Augen und fühlte sich wie ein erschöpftes Kind, das gegen den Schlaf ankämpfte, dann spürte er den energischen Griff des jungen Mannes an seinem Arm.
    »Ich hab dich, Simon, halt durch!«
    Er öffnete die Augen und merkte, wie Robinson ihm den Arm um die Brust legte.
    »Es ist vorbei, Walter«, sagte er leise.
    »Keine Sorge, Simon. Was zum Teufel …«
    »Wir haben gekämpft, und ich habe gewonnen«, berichtete Winter. »Bitte sag es ihnen …«
    »Bist du verletzt?«
    »Ja. Nein.« Simon Winter wollte sagen: Wie könnte mich ein solcher Mensch verletzen? Doch er hatte nicht die Kraft, es auszusprechen.
    »Der Schattenmann?«
    »Tot. Ich hab ihn erledigt.«
    »Gut, Simon, du lehnst dich jetzt einfach zurück. Ich schaffe dich an Land. Atme ganz normal und entspann dich. Es wird alles gut, verlass dich drauf. Schließlich sind wir für morgen zum Angeln verabredet.«
    »Das wäre schön«, meinte Winter schwach.
    »Es wird alles gut«, redete Robinson ihm weiter zu. »Ich rette dich.«
    »Ich bin gerettet«, antwortete Winter.
    Der alte Detective fühlte, wie der starke junge Mann ihn über die Wellenkämme hob; er lehnte sich zurück und spürte, wie er langsam, aber stetig Richtung Küste gezogen wurde. Er schloss die Augen und ließ sich vom Rhythmus der kräftigen Schwimmzüge schaukeln. Er dachte: Ich bin wieder ein kleines Kind, das die Mutter in den Armen wiegt.
    Simon Winter seufzte einmal und öffnete die Augen. Er blickte zurück nach Osten und sah, wie sich ein flammend rotgoldener Streifen über den Horizont breitete.
    »Es ist Morgen«, sagte er.
    Robinson antwortete nicht, sondern schwamm weiter gegen den Sog der Ebbe und die Wellen an, die es, wie schon sooft, darauf abgesehen hatten, ihm jeden Zug zu erschweren. Er konnte nicht mit Sicherheit sagen, wann der alte Mann starb, doch als er durch die letzten Brecher taumelte und fühlte, wie Espy Martinez nach ihm griff und ihm, während er zu Boden sank, dabei half, Simon auf den Strand zu legen, wusste er, dass es so war. Einen Moment lang lagen sie alle drei Seite an Seite.
     
    Die Sonne duldete keine Atempause, sondern drängte ungeduldig zum Zenit. Schon bald breitete sie ihr gleißendes Licht und eine sengende Hitze über den kalkweißen Sand. Der tropische Himmel leuchtete in einem Bilderbuchblau, und nur vereinzelt wanderte eine duftig zarte Wolke wie ein ungebetener Gast träge über das vollendete Tableau.
    Walter Robinson und Espy Martinez saßen
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