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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller
Autoren: John Katzenbach
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Messer auf seine Rippen zielte, um es ihm ins Herz zu stoßen. Wieder versuchte er umgekehrt, mit dem Revolver zu zielen, doch die Hand des Mannes war zu stark. Die Schusswaffe schwankte nur wenige Zentimeter von der Stelle entfernt, an der eine Kugel den Gegner hätte treffen können, während die ganze Zeit die Messerspitze des Schattenmannes dem Kampf ein Ende bereiten wollte.
    Ein drittes Mal tauchten sie im Auf und Ab der Wellen unter. Als sie erneut durch die Oberfläche brachen, erkannte Winter, dass sie sich immer weiter vom Strand und der Mole entfernt hatten. Für einen kurzen Augenblick konnte er über der aufgewühlten Wasseroberfläche die Augen des Schattenmannes sehen.
    Und was Winter in dieser letzten Dunkelheit dieser letzten Nacht erkannte, war so einfach wie entsetzlich. Sie waren in einem Patt ihrer Kräfte gefangen, aus dem es nur einen einzigen Ausweg gab. In dieser Sekunde wusste er, worin die Lösung bestand.
    Er begriff: Die einzige Möglichkeit, ihn zu töten, liegt darin, mich von ihm töten zu lassen.
    Und so zog Simon Winter urplötzlich die Messerhand des Schattenmannes fest an seine Seite, wo sie ihm unterhalb seiner Rippen und in sicherer Entfernung von seinem Magen zu einem – wie er hoffte, nicht tödlichen – Stich ins Fleisch drang. Der brennende Schmerz, der ihn durchzuckte, als der Stahl sich in seinen Körper bohrte, war unvorstellbar.
    Die Bewegung überraschte den Schattenmann und warf ihn aus dem Gleichgewicht, und in dieser kurzen Sekunde machte er sich den Vorteil, den Winter ihm verschaffte, nicht zunutze. Vielleicht zum allerersten Mal versagten seine Erfahrung und sein Instinkt, die ihn gelehrt hatten, das Messer nach oben zu drehen, um dem alten Detective den sicheren Todesstoß zu versetzen.
    Sowie das Messer reglos in seiner Seite steckte, löste Winter seine freie Hand vom Arm des Schattenmannes, griff den Revolver mit beiden Händen, und hielt dem Gegner den Lauf vor die Brust. Mit einem mächtigen Schrei, in dem sich die Schmerzen und die rasende Wut über der Brandung entluden, beschwor er den alten Dienstrevolver, den er seit so vielen Jahren besaß, ein letztes Mal für ihn zu antworten.
    Das Wasser dämpfte die Explosion der Schüsse, doch er fühlte den Rückstoß in den Händen und wusste, dass jede Kugel ins Ziel traf.
    Fünfmal drückte er ab.
    Wasser spritzte ihm ins Gesicht, und er spürte, wie der Schattenmann augenblicklich, fast behutsam seinen Griff lockerte und nach hinten ins Wasser sackte. Winter schnappte nach Luft.
    In der letzten Dunkelheit der Nacht sah Simon Winter den Ausdruck von Staunen und Verständnislosigkeit im Gesicht des Killers. Er merkte, wie die Hand des Mannes von seinem Messer rutschte und die Klinge aus seiner Seite glitt. Der alte Detective sah, wie der Tod seinen Widersacher langsam, aber unerbittlich erfasste, doch plötzlich loderte in ihm trotz der Schmerzen und des Schocks ein letzter gewaltiger Zorn auf. Er griff über eine Welle, packte den Schattenmann am Kragen und zog ihn zu sich heran.
    Während er dem sterbenden Mann, der in fassungslosem Entsetzen den Mund geöffnet hatte, den Lauf an den Gaumen drückte, zischte er zwischen den Zähnen: »Zur Hölle mit dir, das hier ist für Sophie und für alle anderen.« So hielt er den Revolver lange genug, damit seine Worte das Letzte waren, was der Schattenmann in seinem Leben hörte, dann feuerte er den letzten Schuss ab.
    Der Knall hallte kurz über das Wasser, dann ging er in der Brandung unter.
     
    Walter Robinson fuhr den Streifenwagen langsam über die sandige Zugangsstraße zum Strand. In der linken Hand hielt er einen starken Suchscheinwerfer, der sich durch die letzten dünnen Schleier der Tropennacht bohrte. In einem weiten Bogen leuchtete er damit den leeren Strand aus, ließ den Strahl über die Wellen tanzen und den angestrengten Blick auf der Suche nach dem alten Detective über die Oberfläche schweifen.
    »Glaubst du, er ist hier irgendwo?«, fragte Espy Martinez leise.
    »Ja. Nein. Irgendwo schon«, erwiderte Robinson unschlüssig. »Alle beide.«
    Sie antwortete nicht, sondern starrte weiter in das lichter werdende Dunkel. Der feine Kies knirschte unter den Reifen, und sie verfluchte den Lärm, den sie machten. Sie versuchte, all die Geräusche der ersten Morgenstunden einzuordnen: den Automotor, die Reifen auf der Straße, Walter Robinsons schweren Atem, der so ganz anders war als die leisen, gleichmäßigen Züge, die von ihm kamen, wenn er an ihrer
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