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Der Suender und die Lady

Der Suender und die Lady

Titel: Der Suender und die Lady
Autoren: Kasey Michaels
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keine Wahl. Ich kann unseren Stammbaum zurückverfolgen bis …“
    „Bis ins fünfzehnte Jahrhundert, und das Familienvermögen bis zum vergangenen Dienstag, als Papa mal wieder Großvater Geoffreys und Onkel Seths Spielschulden bezahlen musste, damit die zwei nicht in den Schuldturm geworfen werden. Ja, ich weiß.“
    „Dieser Vorwitz ist kein Charakterzug, den du von meiner Familie geerbt hast“, sagte Leticia beleidigt und griff nach der Weinkaraffe. „Übrigens, der Blauton kleidet dich gut. Er passt wunderbar zu deinen Augen – die du bitte niederschlägst. Und trage das Kinn nicht zu hoch. Debütantinnen sind schüchtern. Die Herren finden Schüchternheit reizend.“
    „Ich wüsste gern, warum. Ich kann mir eher vorstellen, dass sie sie zu Tode langweilt. Danke, Hanks“, sagte Regina, als ihre Zofe ihr eine einzelne Reihe perfekter Perlen um den Hals legte. Dann schritt Regina quer durch den Raum auf ihre Mutter zu, beugte sich hinab, gab ihr einen Kuss auf die schmale, papiertrockene Wange und hielt die Luft an, denn ihre Mutter glaubte, die Weinfahne durch großzügigen Parfümgebrauch überdecken zu können, was in Wirklichkeit alles noch verschlimmerte. „Tante Claire und Miranda kommen gleich. Geht es dir gut?“
    Mit einem Seitenblick auf ihre Kristallkaraffe nickte Leticia. „Ich bin nicht allein.“
    Regina öffnete den Mund, um ihrer Mutter Vorhaltungen zu machen, schlug sich ein derart sinnloses Unterfangen jedoch aus dem Kopf. Stattdessen blickte sie Hanks fragend an, und Hanks zwinkerte ihr zu. Der Wein war mit Wasser versetzt. Schön. Nach der ersten Karaffe waren Leticias Geschmacksnerven offenbar betäubt, denn dass Regina die zweite – und manchmal die dritte – Karaffe mit Wasser streckte, war ihr noch nicht aufgefallen.
    „Dann mache ich mich jetzt auf den Weg. Miranda hat irgendetwas über das köstliche Dessert unserer Gastgeberin geäußert, glaube ich. Deshalb nehme ich am besten meinen größten Pompadour und bringe dir eine Kostprobe mit.“
    Leticias Miene hellte sich auf. „Zitronenschnittchen. Auf Lady Mondays Soiree gibt es immer Zitronenschnittchen. Recht schlicht, aber sie hat eine begnadete Köchin.“
    „Es ist noch nicht zu spät, uns zu begleiten“, schlug Regina vor. Sie hätte es gern gesehen, wenn ihre Mutter sich häufiger in der Gesellschaft blicken ließe. Cousine Miranda war zwar eine recht angenehme Gefährtin, neigte aber zu Leichtsinn und hatte, wenn es Zeit zum Aufbruch war, schon mehr als einmal hinter einer Kübelpalme hervorgescheucht werden müssen, fort von irgendeinem Offizier niederen Dienstgrades.
    „Deine Tante Claire reicht gewiss als Anstandsdame. Geh nur. Hanks und ich kommen schon zurecht. Nicht wahr, Hanks?“
    „Ja, Mylady“, sagte die Zofe und knickste.
    Mit einem letzten warnenden Blick zu Hanks griff Regina nach ihrem Pompadour und dem Schultertuch, verschwand im Treppenhaus und erreichte die Eingangshalle im selben Augenblick, als ein Diener meldete, dass die aufwendige Kutsche der Mentmores sie auf dem Platz erwartete. Die Mentmores hatten nie eine vornehme wappengeschmückte Kutsche besessen, bevor Reginald Hackett eine solche für die Nutzung während der Saison erstanden hatte unter dem Vorbehalt, dass seine Tochter niemals in einem anderen Gefährt durch die Stadt kutschieren sollte. Regina eilte nach draußen, ließ sich in die dunkle Kutsche helfen und setzte sich gegen die Fahrtrichtung neben Mirandas Zofe Doris Ann. „Bin ich zu spät, oder bist du zu früh?“, fragte sie ihre Cousine und bemerkte dann befremdet, dass ihre Cousine allein auf der Sitzbank saß. „Miranda? Wo ist Tante Claire?“
    Ihre Cousine lachte perlend – Regina hätte es als Kichern bezeichnet, doch alle anderen fanden Mirandas Lachen entzückend – und strich über ihre goldenen Locken, um die Regina sie insgeheim beneidete. Dunkles Haar hatten viele, doch Mirandas Locken waren außergewöhnlich und zurzeit der letzte Modeschrei, genauso wie ihre überaus helle Haut, die zierliche Figur und ihre anscheinend beinahe flache Brust.
    „Mama genießt, was selten genug vorkommt, den Abend zu Hause, weil Tante Leticia uns heute Abend als Anstandsdame begleitet“, erklärte Miranda und lachte beziehungsweise kicherte erneut.
    Regina kniff die Augen zusammen. „Das ist nicht lustig. Ich habe Mama gesagt, dass Tante Claire uns begleitet.“
    Miranda machte mit ihrer winzigen Hand eine wegwerfende Bewegung. „Als hättest du noch nie
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