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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition)
Autoren: Katja Brandis
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hatte. Sie stockte, und ihre Augen weiteten sich. Jetzt wusste sie, wer ich war.
    »Ist mein Vater da?«, wiederholte ich.
    Jetzt war sie nervös. »Er ist bei den Akjat-Fischen, in der West-Bucht. Aber ...«
    »Ich schaue mal, ob ich ihn dort treffe.« Ich drehte mich um und glitt in den See zurück. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich sie nicht mehr zu hassen brauchte. Nie wieder würde der Gedanke an sie mich davon abhalten, meinen Vater zu sehen.
    Die West-Bucht zu finden, war nicht besonders schwer. Sie war von einer gewaltigen Herde blau schillernder Fische bevölkert, die sich gemeinsam bewegten wie von einem einzigen Willen beseelt. Als ich an der Flanke des Schwarms tauchte, kamen die Fische auf mich zu, statt auszuweichen, wie sie es bei jedem anderen getan hätten. Ich konnte ihre Neugier spüren und schickte ihnen beruhigende Gedanken. Ohne Furcht nahmen sie mich in ihre Gemeinschaft auf, und wir schwammen zusammen, bis ich auftauchen musste.
    Durch Zufall kam ich ganz in der Nähe meines Vaters nach oben. Er wirkte irritiert. »Was, beim Brackwasser, habt Ihr mit meinen ... Tjeri!«
    »Hallo, Pa«, sagte ich. Immerhin hat er mich erkannt, ging es mir durch den Kopf. Es war schön, ihn zu sehen. Aber etwas in mir hielt sich noch zurück, wartete ab.
    Wir umarmten uns nicht – das hätte nicht zu ihm gepasst. Aber er lächelte, und plötzlich war es gar nicht mehr schwer, mit ihm zu reden. »Schöne Fische hast du da«, meinte ich. »Stehen gut im Futter.«
    »Kann man wohl sagen. Aber kannst du mir mal erklären, was das da vorhin war? Warum sie dich so behandelt haben?«
    Warf er mir etwa vor, dass ich seinen Schwarm aufgeschreckt hatte? Kam jetzt eine Standpauke? Ich schoss zurück: »Schon mal was vom verlorenen Sohn gehört?«
    Er musste lächeln. »Hast immer noch das gleiche Mundwerk. Nein, die können dich nicht kennen, diese Akjats sind erst zwei Winter alt. Lernt man so was als Sucher? Fische anzulocken?«
    »Nicht wirklich«, sagte ich. Vielleicht würde ich ihm irgendwann von der Quelle erzählen, aber nicht jetzt. »Andere nützliche Sachen allerdings schon.«
    Wir schwammen zusammen durch die Seen seiner Farm, redeten viel über die Geschäfte, seine Tiere, die Gegend und meine Schwestern. Wenig über unsere Gefühle. Aber das machte nichts. Nachdem die erste Verlegenheit verflogen war, fühlten wir uns wohl miteinander.
    Nach einem langen Tag, als wir in der Dämmerung zurückschwammen, kam dann auch die rechte Zeit, um schwierige Themen anzuschneiden. »Es tut mir Leid, dass ich so lange nichts von mir habe hören lassen.«
    Es war schon fast dunkel, und ich erkannte nur noch die Silhouette seines Kopfes, hörte seine Stimme und das Geräusch des Wassers, wenn seine Arme eintauchten. »Fünf Winter«, sagte er. »Eine lange Zeit.«
    Zuerst wollte ich mich noch einmal entschuldigen. Aber dann sagte ich stattdessen: »Wahrscheinlich wäre es schief gegangen, wenn ich vorher zurückgekommen wäre.«
    »Ja, kann sein.« Schweigend schwammen wir weiter. Dann gestand er plötzlich: »Ich hätte nie gedacht, dass du es so schwer nehmen würdest. Sonst hätte ich mich mehr um dich gesorgt, als ich merkte, dass ihr nicht miteinander klarkamt, Oliana und du. So dachte ich: Er wird sich an sie gewöhnen, es klappt schon irgendwie . Aber du bist vom gleichen empfindsamen Menschenschlag wie deine Mutter.«
    Empfindsam. Das hätte verächtlich klingen können. Aber ich merkte, dass er es nicht so meinte. Und ich hörte die traurige Zärtlichkeit, die in seiner Stimme mitschwang, wenn er von meiner Mutter sprach. »Ja, das bin ich wohl«, sagte ich.
    Er lud mich ein, in seiner Luftkuppel zu übernachten, aber ich lehnte ab. Das hatte nichts mit ihm oder Oliana zu tun. Ich schlief nur noch unter freiem Himmel, auf dem See driftend. Dort, wo ich das offene Wasser hatte, den Sternenhimmel, die kühle frische Luft, die nächtlichen Rufe der Gelbspötter. Nachts jagten Skagaroks nicht, und ich wusste ohnehin, dass ich sie nicht mehr zu fürchten brauchte. Mein Ska blieb immer in der Nähe und wachte über mich. Lautlos glitt er über die Wasseroberfläche hinweg und wettete mit mir, ob ich es schaffen würde, ihn dabei zu packen. Manchmal gewann ich sogar.
    Drei Tage lang blieb ich in Larkness. Dann war es Zeit, weiterzuziehen. Wir hatten viel geredet, mehr, als ich meinem Vater jemals zugetraut hatte. Ich wollte nicht mehr von ihm fordern, als er geben konnte.
    Eine alte Wunde war geheilt – doch
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