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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition)
Autoren: Katja Brandis
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durch den Kopf. Aber er ist nicht nur ein verdammt guter Sucher, er ist auch klüger als ich ... Ujuna brauchte jemanden, der zu jung und naiv war, um ihr Spiel zu durchschauen ...
    Es fiel mir schwer, Udiko von Chisaai zu erzählen. Ihm zu berichten, dass sein ehemaliger Lehrling umgekommen war auf der gleichen Suche. Getötet wahrscheinlich von dem Objekt, das er gefunden hatte. Wie Targon damals wieder in die Schale zurückgezwungen worden war, würden wir vermutlich nie erfahren.
    »Chisaai war noch so jung«, sagte Udiko. »Ich hatte Angst, dich genauso zu verlieren. Aber ich musste dich deinen Weg gehen lassen. Und dein Weg führte in die anderen Provinzen.«
    »Ich weiß. Immerhin: Ich habe überlebt.«
    »Musstest du dafür töten?«
    »Ja.«
    Lange Zeit blickte der Große Udiko nachdenklich ins Leere. »Wenn ich Chisaai das Band des Sturmläufers gegeben hätte, wäre auch er vielleicht noch am Leben. Mit dieser Schuld werde ich leben müssen. Behalt das Band, ich will es nicht zurück. Verwahr es gut. Ich habe es selbst geschenkt bekommen, von einem Mitglied des Hohen Rates vor langer Zeit.«
    Ich nickte und berührte das ausgeblichene, seidig-feste Band an meinem Handgelenk.
    Udiko beobachtete mich genau, schon die ganze Zeit. Natürlich hatte er bemerkt, was sie mit meiner Hand gemacht hatten – ich versuchte nicht, es zu verbergen. »Fühlst du dich besser, seit du zurück bist?«, fragte er.
    »Ein wenig. Leider nicht viel«, gestand ich, und es dauerte einen Moment, bis ich es fertigbrachte, weiterzusprechen. »Ich schaffe es nicht mehr, mich zu freuen – irgendwo ist mir der Lebensmut verloren gegangen. Bisher hatte ich noch nicht die Kraft, wieder als Sucher zu arbeiten, es interessiert mich nicht mehr besonders. Was glaubst du, ist ... mit mir los ...?«
    Schweigend räumte Udiko die Holzschalen weg. Ich wusste, dass er mir Zeit geben wollte, mich wieder zu fangen, und war ihm dankbar dafür. Als er aus der Küche zurückkehrte, war sein Gesicht ernst. »Hast du wirklich damit gerechnet, dass du so einfach überwinden kannst, was du im Kerker durchgemacht hast? Was mit deinem Mädchen passiert ist? Dass du das Blut von anderen vergießen musstest? Der Schock steckt dir noch in den Knochen und vergiftet deine Seele. Wird eine Weile dauern, bis du darüber hinweg bist.«
    »Wie lange?«
    »Das weiß niemand. Manche brauchen ihr ganzes Leben.«
    Ich nickte und schwieg. Tiefe Niedergeschlagenheit erfüllte mich. Wenn ich Joelle und die Leidenschaft, Sucher zu sein, verloren hatte ... was hatte ich dann noch?
    »Du wirst es schon früher schaffen«, sagte mein alter Meister. »Bei einer Frohnatur wie dir kann ich mir das gar nicht anders vorstellen. Außerdem bist du keiner von denen, die leicht aufgeben. Weißt du noch, wie du mich förmlich gezwungen hast, dich als Lehrling zu nehmen?« Er musste lächeln. »Was wirst du jetzt tun? Hast du schon Pläne?«
    »Ja.« Ich musste daran denken, wie oft mir im Kerker sein Satz durch den Kopf gegangen war. Der Tod ist ein seltsamer Genosse. Er zeigt dir, was wichtig ist. »Ich werde meinen Vater besuchen. Er lebt im Norden, in ...«
    »... Larkness-al-Rivas. Ich weiß. Er hat mir ab und zu eine Nachricht geschickt und gefragt, wie es dir geht.«
    Verblüfft starrte ich Udiko an. »Du hast mir nie etwas davon gesagt!«
    »Das wollte er nicht. Er wusste, dass du noch wütend auf ihn warst.«
    Eine wilde Mischung von Gefühlen überschwemmte mich. Einen Moment lang fragte ich mich, ob Udiko das nicht einfach für mich erfunden hatte. Doch er hatte mich nie angelogen.
    Ich stand auf und ging nach nebenan, um meine Schwimmhaut wieder anzuziehen.
    »Du bist jetzt nicht etwa wütend auf mich, oder?«, rief Udiko mir hinterher.
    »Brackwasser, nein. Aber ich will sofort los, in Richtung Norden. Verstehst du das?«
    Udiko lächelte. »Besser, als du denkst.«
    »Kann ich zurückkommen?«
    »Was für eine Frage, Kleiner. Du bist hier daheim, und das wirst du immer sein.«
    * * *
     
    Mi‘raela hüpfte vor Freude wie ein Kätzchen, als sie die ersten Ausläufer des Roten Waldes erreichte. Trotzdem hielt sie die Augen offen und die Ohren vorsichtig gespitzt. Es hätte gerade noch gefehlt, dass sie noch einmal Leuten von Großfrau in die Hände fiel!
    Jede Kleinigkeit in der alten Heimat war ein Genuss. Wie das Muster ihres Fells mit dem lichtgefleckten Boden verschmolz. Wie es nach trockenem Laub und leckeren Nachtwisslern in den Erdhöhlen darunter roch. Wie der Wind
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