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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition)
Autoren: Katja Brandis
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wirklich wichtig ist und nicht gegen mein Gewissen verstößt.«
    »Es ist wirklich wichtig. Der Me‘ru wünscht, dich zu fragen, ob du ganz zu uns gehören willst. Ob du ihm folgen willst, so wie wir.«
    Ich verstand gar nichts mehr. »Wer ist der Me‘ru?«
    »Unser Herrscher«, erklärte Uu‘war. »Kein Dörfling weiß von ihm. Er ist weise, er ist gut, und du wirst ihn niemals sehen.«
    Mir blieb der Mund offen stehen, weil mir sofort klar war, was dieses Angebot bedeutete. Und weil ich wusste, dass ich vermutlich der einzige Mensch in Daresh war, dem es je unterbreitet worden war. Schließlich fragte ich leise: »Warum ich?«
    »Das fragst du noch, Jederfreund?«, erwiderte Uu‘war, und seine Augen und die der anderen Krötenmenschen schimmerten in einem warmen Gold. »Du bist einer von uns. Aber du kannst Dinge, die wir nie schaffen würden. Nützlich würdest du ihm sein, dem Me‘ru, in der Welt. Nur manchmal, nie ohne guten Grund, würde er dich um Hilfe bitten.«
    Ich bat um Bedenkzeit. Die ganze Nacht lang lag ich wach und dachte nach. Bisher war ich davon ausgegangen, dass ich von nun an unabhängig arbeiten, niemandem Gefolgschaft schuldig sein würde außer mir selbst. Wollte ich das – wieder einem Herrscher dienen? Noch dazu einem, den ich niemals sehen durfte? Einem geheimnisvollen, nichtmenschlichen Wesen? Mein Gefühl gab mir die Antwort. Ja, ich wollte. Ich würde helfen, so gut ich konnte.
    Am nächsten Tag sagte ich es ihnen.
    » Seraf‘tolai «, sagte Uu‘war feierlich. »So sei es, Bruder.«
    Wer weiß, ob ich ohne diese Zeit bei den Halbmenschen bereit gewesen wäre für das, was noch kam? Eines Nachts schlug ich die Augen auf und wusste, dass etwas Außergewöhnliches geschehen war. Noch nie hatte ich so geträumt, es war alles so wirklich gewesen. Die Bilder blieben selbst nach dem Aufwachen stark und klar in meinem Kopf, riefen mich. Das war kein normaler Traum gewesen!
    Ich stand auf und wusste, was ich zu tun hatte. Es war an der Zeit, mich auf meine erste Traumsuche zu begeben und zu sehen, wohin sie mich führte. So mancher kommt nie wieder zurück von dieser Reise, hallten Udikos Worte in mir nach. Früher hätte mir das Sorgen gemacht. Jetzt ließ es mich kalt.
    Aus den Reisen meiner Lehrzeit wusste ich, was ich in diesem Traum gesehen hatte. Es war die Insel Caris Terada; sie lag nur zwei Tagesreisen entfernt und war unbewohnt. Soweit ich mich erinnern konnte, war sie von großen Küstenkressefeldern umgeben und diente dazu, Romnicca-Nüsse anzubauen. Eine einfache Farmerinsel. Vielleicht war das Glück, aber ich war trotzdem ein bisschen enttäuscht. Damals, bei Udiko, hatte ich mir ausgemalt, dass meine Traumsuche – falls ich je eine bekäme – mich mindestens zu den Celican-Riffen führen und ich tausend Gefahren trotzen würde, um zu meiner Bestimmung zu gelangen.
    Hastig verabschiedete ich mich von dem verblüfften Uu‘war und schwamm los. Ich erreichte Caris Terada am nächsten Tag noch vor Sonnenaufgang und kämpfte mich durch die dichten, an der Wasseroberfläche wogenden Kressefelder bis zum Ufer vor.
    Noch lag die Nacht tief und schwer über der Insel. Aber die Luft fühlte sich lebendig an, strich mit sanften Fingern über mein Gesicht. Ich spürte sofort, dass hier etwas Besonderes war, dass ich gut daran getan hatte, alles stehen und liegen zu lassen, um herzukommen.
    Terada war eine sehr alte Insel, und die riesigen Nussbäume mit ihren dunkelroten Blättern wölbten ihre Zweige fast bis zum Boden. Im Licht des dritten Mondes wirkten ihre Silhouetten Furcht erregend und beeindruckend zugleich. Als ich einen Fuß ans Ufer setzte – es war das erste Mal seit Wochen, dass ich an der Oberfläche Festland betrat –, fielen Furcht und Aufregung von mir ab.
    Wie in Trance bahnte ich mir einen Weg tiefer hinein in den dichten Wald. Kühle, vom Tau feuchte Blätter streiften meine Haut, als ich Zweige zur Seite bog oder mich unter ihnen hindurchduckte. Es roch nach Moos und den Romnicca-Nüssen, die zu früh abgefallen waren und nun auf dem Boden vermoderten.
    Ich hatte keine Ahnung, wonach ich eigentlich suchte. Wie sollte es mir so gelingen, etwas zu finden? Und wie würde ich erkennen, ob es das Richtige war?
    Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen – es war unübersehbar. In der Mitte der Insel, auf einer kleinen Lichtung, fand ich ein aus weißem Stein gemeißeltes Becken auf einer Säule. Es war mit Wasser gefüllt, das den Sternhimmel widerspiegelte.
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