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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco
Autoren: Jules Verne
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der Leser weiß, unter welchen Verhältnissen. Es hatte schon den Anschein, daß den Pater Esperante nichts wieder mit seiner schmerzlichen Vergangenheit verknüpfen sollte, als sich die Vorgänge abspielten, die den Inhalt dieser Erzählung bilden.
    Nach der Erklärung des Sergeanten Martial hatte der Oberst Jeanne in seine Arme gepreßt, und seine strömenden Freudenthränen glichen einer Taufe, mit der er die Stirn seines Kindes benetzte. Mit kurzen Worten berichtete das junge Mädchen ihm über ihren Lebenslauf, ihre Rettung an Bord des »Vigo«, über ihren Aufenthalt bei der Famlie Eridia in Havana und ihre Rückkehr nach Frankreich, ferner über den Entschluß, den sie gefaßt hatte, sobald ihr und dem Sergeanten Martial sein in San-Fernando aufgegebener Brief übermittelt worden war. Dann schilderte sie ihre Reise nach Venezuela, die sie als junger Mann verkleidet und unter dem Namen Jean antrat, die Fahrt auf dem Orinoco, den Ueberfall durch den schurkischen Alfaniz und seine Quivas an der Furt von Frascaes und endlich die jetzige, so wunderbare Rettung.
    Darauf begaben sich Beide nach dem Wagen zu dem alten Soldaten. Der Sergeant Martial fühlte sich wie neugeboren… er »strahlte«, wie man zu sagen pflegt, doch er weinte gleichzeitig, und immer und immer wieder sagte er:
    »Mein Oberst… mein Oberst! Nun unsre Jeanne ihren Vater wiedergefunden hat, kann ich getrost sterben…
    – Das verbiete ich Dir strengstens, alter Kriegskamerad!
    – Ja, wenn Sie mir’s freilich verbieten…
    – Natürlich. Wir werden Dich pflegen, Dich wiederherstellen.
    – O, wenn Sie mich pflegen, dann sterb’ ich nicht… gewiß noch nicht!
    – Du bedarfst aber dringend der Ruhe.
    – Die wird mir nicht fehlen, Herr Oberst. Schon kommt der Schlaf wieder über mich, und diesmal wird es ein guter, stärkender Schlaf werden.
    – Immer schlaf’ Du, mein alter Freund, schlafe nur!… Wir kehren nach Santa-Juana zurück. Die Fahrt dahin wird Dir keine Beschwerden machen, und in wenigen Tagen bist Du wieder auf den Füßen.«
    Der Oberst von Kermor hatte sich über das Lager des Verletzten gebeugt, hatte die Lippen auf die Stirn des Sergeanten Martial gedrückt, und sein alter Freund war dabei lächelnd eingeschlummert.
    »Mein Herzensvater, rief Jeanne, wir werden ihn doch wohl retten?
    – Mit Gottes Hilfe, ja, meine geliebte Jeanne!« antwortete der Missionär.
    Germain und er hatten schon vorher die Verwundung des Sergeanten Martial genau untersucht, und sie glaubten, daß diese keine tödliche Folge haben werde.
    Später erfuhr man auch, daß es der verruchte Alfaniz gewesen war, der auf den alten Soldaten in dem Augenblicke geschossen hatte, wo dieser sich in einem Anfall von Wuth auf ihn gestürzt hatte.
    Der Pater Esperante sagte dann:
    »Heute mögen meine wackern Indianer ausruhen und Ihre Gefährten, Herr Helloch, ebenfalls, denn Alle bedürfen einer gründlichen Erholung. Morgen schlagen wir den kürzesten Weg nach der Mission wieder ein, wobei uns Gomo führen wird.
    – O, diesem muthigen Kinde verdanken wir im Grunde unsre Rettung, bemerkte Jeanne.
    – Ja, ich weiß es,« antwortete der Pater Esperante.
    Darauf rief er den jungen Indianer herbei.
    »Komm hierher, Gomo, komm zu mir!… Ich umarme Dich im Namen Aller, die Du gerettet hast!«
    Und nachdem er aus den Armen des Pater Esperante freigekommen war, umschlangen ihn noch die Jeannes, die er in seiner Verwirrung immer noch: Mein Freund Jean! nannte.
    Da das junge Mädchen die seit Beginn der Reise getragene Männerkleidung, wie wir wissen, noch nicht abgelegt hatte, fragte sie der Pater, ob ihre Begleiter wohl wüßten, daß Jean von Kermor eigentlich Jeanne von Kermor wäre. Darüber sollte er bald genug Aufklärung erhalten.
    Als er nun Jacques Helloch und Germain Paterne, sowie Parchal und Valdez, den beiden Schiffern, deren opferfreudige Dienstwilligkeit sich im Verlaufe der langen und beschwerlichen Fahrt stets bewährte, dankend die Hand gedrückt hatte, nahm Jeanne von Kermor das Wort.
    »Ich muß Dir sogleich mittheilen, liebster Vater, was ich unsern beiden Landsleuten Alles zu danken habe – ach, so viel, daß ich es in meinem Leben nicht wieder gut machen kann.
    – Mein Fräulein, fiel da Jacques Helloch ein, ich bitte Sie… ich habe ja gar nichts für Sie gethan!
    – Lassen Sie mich ausreden, Herr Helloch….
    – Sprechen Sie aber nur von Jacques, nicht von mir, Fräulein von Kermor, rief Germain Paterne lachend, ich verdiene überhaupt
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