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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco
Autoren: Jules Verne
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Missionär.
    »Sie… Sie, mein Oberst!… Da unten… Alfaniz!«
    Kaum hatte er, von krampfhaften Zuckungen unterbrochen, diese wenigen Worte geflüstert, so schwand ihm auch schon wieder das Bewußtsein.
    Der Pater Esperante erhob sich; in seinem Kopfe jagten sich verwirrte, unverständliche Gedanken, die ihn in unaussprechlicher Weise erregten. Der Sergeant Martial hier… der junge Mann, den er zur Aufsuchung seines Vaters begleitete und der doch jetzt nicht bei ihm war… Beide in diesem entlegensten Theile von Venezuela, wer sollte ihm die Erklärung so vieler unerklärlicher Dinge bringen, wenn der Unglückliche starb, ohne vorher noch einmal haben sprechen zu können? Doch nein… er durfte nicht sterben!… Der Missionär würde ihn noch einmal retten, wie er ihn schon früher auf dem Schlachtfelde gerettet hatte. Er wollte ihn dem Tode abringen…
    Auf seinen Wink kam einer der zweirädrigen Wagen heran, auf dem der Sergeant Martial auf eine Streu aus trocknem Grase gebettet wurde.
     

    Er hatte den Revolver erhoben, um Feuer zu geben. (S. 389.)
     
    Weder Augen noch Lippen des Verwundeten thaten sich dabei auf. So schwach dieser aber auch war, seine leise Athmung erlitt keine weitere Unterbrechung.
    Der Marsch wurde nun fortgesetzt. Der Pater Esperante hielt sich nahe bei dem Wagen, worauf sein alter Waffenkamerad ruhte, den er nach so langer Trennung doch sofort wiedererkannt hatte… sein Sergeant, den er vor vierzehn Jahren dort in der Bretagne zurückgelassen hatte, aus der der Oberst ohne den Gedanken an eine spätere Rückkehr fortgegangen war… ihn fand er hier wieder… in weltverlorenem Lande… getroffen von einer Kugel… vielleicht aus der Hand des schurkischen Alfaniz…
    »Gomo hat sich, dachte er, also doch nicht geirrt, als er vom Sergeanten Martial sprach… Doch was sagte er denn weiter?… Ein Kind… jener Sohn, der seinen Vater suchte… Ein Sohn?… Ein Sohn?«
    Er wendete sich nochmals an den jungen Indianer, der an seiner Seite ging.
    »Der Soldat wäre nicht allein hierher gekommen, hast Du mir gesagt. Er hatte einen jungen Mann bei sich?…
    – Ja… meinen Freund Jean.
    – Und Beide wollten sich nach der Mission begeben?
    – Ja wohl… wegen des Oberst von Kermor.
    – Und der junge Mann wäre der Sohn dieses Oberst?
    – Gewiß, sein Sohn.«
    Bei diesen so unzweideutigen Antworten fühlte der Pater Esperante sein Herz hämmern, als ob es davon zerspringen sollte. Was konnte er aber anders thun, als abwarten? Vielleicht lichtete sich das Geheimniß noch vor dem Ende des heutigen Tages.
    Jetzt lag vor ihm nur das eine Ziel, die Quivas anzugreifen, wenn sie noch im Lager am Pic Maunoir angetroffen wurden – und die wenigen, vom Sergeanten Martial mühsam hervorgebrachten Worte gaben ja die Gewißheit, daß Alfaniz sich dort befand – nur die Aufgabe, dem Elenden seine Gefangenen zu entreißen. Die Guaharibos gingen in Sturmschritt über, während die Wagen mit hinreichender Bedeckung zurückblieben.
    Der ehemalige Oberst, der sich zum Missionär von Santa-Juana verwandelt hatte, durfte wohl auf den durchschlagendsten Erfolg rechnen, wenn er jetzt als Führer seiner muthigen Indianer diese die Verbrecherbande angreifen ließ.
    Kurz vor acht Uhr hielt der Pater Esperante an, und die Guaharibos unterbrachen ihren Vormarsch, als sie hinter einer Biegung des Flusses eine geräumige Lichtung im Walde erreicht hatten.
    Gegenüber, auf dem andern Ufer, erhob sich der Pic Maunoir. In der nächsten Nachbarschaft des Flusses war niemand zu sehen, auf dem Orinoco lag kein Fahrzeug.
    Auf der andern Seite der Biegung aber stieg – es herrschte jetzt völlige Windstille – lothrecht eine Rauchsäule in die Höhe.
    An jener Stelle, vielleicht kaum fünfzig Meter weiter hin und auf dem linken Ufer des Rio Torrida, befand sich also jedenfalls ein Lager.
    Das konnte nur das der Quivas sein, doch wollte man sich davon erst überzeugen.
    Einige Guaharibos krochen vorsichtig durch die nächsten Büsche, kamen aber schon nach drei Minuten zurück mit der Meldung, daß Alfaniz mit seiner Bande so nahe vor ihnen lagerte.
    Die Truppe des Pater Esperante schloß sich nun auf der Lichtung enger zusammen. Die Wagen waren nachgekommen, und der, der den Sergeanten Martial trug, erhielt seinen Platz in der Mitte der übrigen.
    Nachdem er sich noch überzeugt hatte, daß im Zustande des Verwundeten keine Verschlimmerung eingetreten war, traf der Oberst von Kermor seine Anordnungen, Alfaniz und dessen
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