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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco
Autoren: Jules Verne
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dahin, daß sie hinter den Reitern kaum zurückblieben.
    Der Erdboden senkte sich allmählich; er stieg erst in der Nähe der Sierra Parima wieder an. Seine sumpfigen Strecken – die Esteros, die nur in der Regenzeit mit Wasser durchtränkt werden – boten jetzt, wo sie von der Wärme ganz ausgetrocknet waren, eine hinreichend feste Oberfläche, so daß man quer darüber hingehen konnte, also nicht um sie herum ziehen mußte.
    Der Weg bildete nahezu einen rechten Winkel gegen den, dem Gomo gefolgt war, als er Jacques Helloch und dessen Gefährten führte. Es war das der kürzeste zwischen der Mission und der Bergmasse der Parima. Einige noch frische Eindrücke ließen erkennen, daß hier wenige Tage vorher eine zahlreiche Truppe dahinmarschiert war.
    Die Guaharibos entfernten sich also vom Rio Torrida, der nach Südwesten verlief. Dabei trafen sie auf mehrere kleine Zuflüsse seines rechten Ufers, die jetzt ausgetrocknet waren und kein Hinderniß bildeten. Nur einzelne, wenig ausgedehnte Bayous, die noch mit stagnierendem Wasser gefüllt waren, mußten vermieden werden.
    Nach halbstündiger Mittagsrast brach der Pater Esperante wieder auf, und Alle strengten sich so nach Kräften an, daß die Guaharibos schon gegen fünf Uhr am Fuße des Bergstockes der Parima und in der Nähe der Stelle anlangten, wo sich einer jener Cerros erhebt, den Chaffanjon nach dem Namen Ferdinand von Lesseps’ getauft hat.
    Hier fand man noch Spuren eines Lagers, das erst vor kurzer Zeit aufgehoben sein konnte. Erkaltete Asche, Reste von Speisen, niedergedrückte Graslagerstätten und dergleichen wiesen darauf hin, daß jemand noch die letzte Nacht hier zugebracht habe. Damit schwand aber jeder Zweifel, daß Alfaniz mit den Quivas und jedenfalls auch mit seinen Gefangenen die Richtung nach dem Strom eingeschlagen hatte.
    Während der Rast, die eine Stunde dauerte und den Pferden gestattete, sich durch frisches Futter zu stärken, ging der Pater Esperante abseits von den Andern auf und ab.
    Seine Gedanken weilten bei den zwei Namen, die der junge Indianer genannt hatte.
    »Der Sergeant Martial, sagte er wiederholt für sich hin, der Sergeant… hier… auf dem Wege nach Santa-Juana…«
    Dann sann er wieder über Jean von Kermor nach… über das Kind, das seinen Vater sachte!… Wer war dieser junge Mann? Der Oberst hatte ja keinen Sohn gehabt!… Nein, Gomo mußte sich täuschen!… Doch gleichviel: jedenfalls schmachteten hier Franzosen in grausamer Gefangenschaft… Landsleute, die zu befreien, den Händen der Quivas zu entreißen, er sich verpflichtet fühlte. Wieder ging es also vorwärts, und gegen sechs Uhr wurde das rechte Ufer des Orinoco erreicht.
    Hier ergossen sich die ersten Wasserfäden von der Sierra Parima in den Strom durch die Bergschlucht, in deren Innern ein tollkühner Forscher am 18. December 1886 die französische Fahne aufgepflanzt hatte.
    Dieser Theil der Sierra war von uralten Bäumen bedeckt, die einmal von allein zusammenzubrechen bestimmt schienen, denn keine Axt des Holzfällers würde sie in dieser weltfernen Gegend je niederlegen.
    Die nächste Umgebung zeigte sich völlig verlassen. Keine Pirogue, nicht einmal ein Curiare, hätte in der heißen Jahreszeit bis hier hinauf gelangen können, und auch die beiden Falcas hatten schon fünfzig Kilometer weiter unten liegen bleiben müssen.
    Diese fünfzig Kilometer konnten, wenn die Guaharibos derselbe Eifer beseelte wie ihren Anführer, noch in der Nacht zurückgelegt werden, so daß die Truppe dann mit Tagesanbruch bei dem Lagerplatze am Pic Maunoir eintraf. An ein Verfehlen des richtigen Weges war nicht zu denken, denn es genügte ja, am rechten Ufer des Stromes, dessen ausgetrocknete Rios keine Schwierigkeiten bereiten konnten, hinzuziehen.
    Der Pater Esperante brauchte seine Indianer gar nicht erst zu fragen, ob sie sich diese Anstrengung zumuthen wollten. Er erhob sich und trabte voraus. Die Reiter und die Fußgänger folgten ihm einfach nach.
    Der an seinem Ursprung sehr eingeengte Orinoco hatte nur eine Breite von wenigen Metern und zwängte sich zwischen steilen, abwechselnd aus Thon und Gesteinen bestehenden Uferwänden hin. Auf diesem ersten Theile seines Laufes hätte in der Regenzeit eine Pirogue mehrere Raudals überwinden müssen, wäre also auch dann nur mit starker Verzögerung vorwärts gekommen.
    Es wurde schon langsam dunkel, als die Guaharibos die Furt le Crespo überschritten, die auf der Karte von dem französischen Reisenden zu Ehren des
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