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Der Stierkampf

Der Stierkampf

Titel: Der Stierkampf
Autoren: Yasushi Inoue
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einem der für sie reservierten Plätze, vor den übereinandergehäufen Preisen, Urkunden und Programmen. Es kam ihm vor, als sähen ihn die Augen der anderen Journalisten seiner Zeitung fast kalt und herzlos an; angesichts dieses Mißerfolges, für den er verantwortlich war, hatten sich in ihren Herzen Mitleid, Freude und ein nicht recht begreiflicher Widerstand gegen ihn miteinander vermischt. Tsugami saß vom Morgen an hier und richtete, so wie es wohl von ihm erwartet wurde, seinen Blick auf das Programm, den Kampfplatz und die Zuschauermenge, welche die Tribünen zu sechzig Prozent besetzt hatte. Trotzdem sah er – wie auch Omoto und Tashiro – von alldem nichts. Obwohl er seine Augen darauf richtete, nahm er natürlich nichts von dem Kampf der Stiere wahr, doch er achtete ebensowenig auf die Tribünen, die Zuschauer und die Holztafeln, von denen das Ergebnis der Kämpfe abzulesen war. Aus den Lautsprechern schallte es unauförlich, doch seine Ohren nahmen nichts davon auf. Für ihn war das Ganze nichts als ein sinnloses Fest, mit dem er nichts zu schaffen hatte. Hin und wieder fegte ein kräfiger Nordwestwind über das Baseballstadion. Und dann schlug hinter den Plätzen der Ausschußmitglieder das Tuch des Ehrenzelts klatschend hin und her, und gleichzeitig trieb das da und dort verstreute Papier raschelnd über das Spielfeld. Tsugami dachte in einem Winkel seines vereinsamten Herzens angestrengt über seinen neuen Plan nach, bis zum Sommer des Jahres diesen Stierkampf nach Tokyo zu bringen. Seinethalben konnte dieser von der Vereinigung zum Schutz der Stiere und Pferde oder dem Landwirtschafsoder Wohlfahrtsoder Finanzministerium organisiert werden. Er hatte auch nichts einzuwenden, falls man hierfür ein Glücksspiel in Form einer staatlich genehmigten Lotterie einrichtete. Auf diese Weise wollte er das riesige Loch in Tashiros Finanzen stopfen, und es mußten ja auch die Schulden der Zeitung getilgt werden. Durch den jetzigen Mißerfolg wurde er nun noch weiter in den tiefen Sumpf jenes unbegreiflichen Zaubers hineingestoßen, den die Veranstaltung eines Stierkampfes für ihn besaß. Die hefige Verzweiflung, die ihn am ersten Regentag ergriffen hatte, war wie Wellen, die an einen Felsen schlagen, wieder verebbt. Das Scheitern der gewaltigen Unternehmung hatte ihm also letzten Endes doch keine größeren Wunden zugefügt.
    Gegen drei Uhr waren an diesem Tag insgesamt einunddreißigtausend Eintrittskarten verkauft worden, aber vermutlich war damit der Höhepunkt erreicht, eine weitere Zunahme erschien sehr unwahrscheinlich.
    »Würde man jetzt die Veranstaltung schließen,
    beträgt der Verlust zirka eine Million Yen, und wenn auch nur die Hälfe davon auf mich trif, handelt es sich doch um ein gewaltiges Loch, ein Defizit von 500 000 Yen!«, sagte Tashiro zu Tsugami. Er war von irgendwoher kommend wieder bei den Plätzen der Ausschußmitglieder erschienen und hockte sich nun ohne viel Umstände auf den Tisch, auf dem die Preise und Urkunden lagen. Als einer der Herren ihn darauf hinwies, daß ein solches Verhalten in Gegenwart der Zuschauer doch wenig höflich sei, erwiderte er nur »ah so.,.«, sprang mit einem entschuldigenden Murmeln vom Tisch herab und setzte sich wie taumelnd auf den Platz des Zeitungschefs neben Tsugami. Dann griff er in einer fast aufsässig wirkenden Geste, ohne die mindeste Scheu, nach der Zigarette, die Tsugami im Munde hatte, und zündete sich damit die eigene an. Er war ziemlich betrunken.
    »Herr Tsugami«, sagte er hierauf, »diese 500 000 Yen sind im Grunde keine so fürchterlich große Summe, aber ich habe sie mir von meinem älteren Bruder geliehen und ich muß Zinsen dafür bezahlen! Mein Bruder ist ein gräßlicher Kerl! Er ist ein Teufel! Ja, ein richtiger Teufel! Ein unvorstellbarer Geizhals und Knicker – ein Teufel ohne das mindeste Erbarmen! Ach, er ist mir zuwider, dermaßen zuwider …«
    Er streckte, als litte er große Schmerzen, beide Hände hoch in die Luf, als wollte er da etwas abkratzen, dann schlang er in einer Gebärde der Hilflosigkeit die Arme um den Kopf. In diesem Augenblick fiel Tsugami auf, daß der Ellbogen von Tashiros Ledermantel ein ziemliches Loch aufwies. Unwillkürlich fragte er sich, ob Tashiro wohl verheiratet sei. Da ihm Tashiro noch nie von einer Familie erzählt hatte, hielt er es für durchaus möglich, daß jener ledig oder seine Frau gestorben war oder er sich hatte scheiden lassen. Aus irgendeinem Grund fand er plötzlich, daß
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