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Der Stierkampf

Der Stierkampf

Titel: Der Stierkampf
Autoren: Yasushi Inoue
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sondern hingen nur schwerfällig herab. Während der drei Monate, in denen er sich für diese drei Stierkampf-Tage bis zur Erschöpfung abgeschufet hatte, war ihm eine so verlassene, traurige Szene nie in den Sinn gekommen. Doch letzten Endes betrachtete er dieses Schauspiel, sich selbst mit eingeschlossen, aus einer gewissen Distanz. Er besaß weder die Hartnäckigkeit noch die nervöse Unruhe Omotos, der an nichts anderes mehr dachte, als den Verlust für seine Zeitung möglichst niedrig zu halten. Tsugami war angesichts dieser gewaltigen Fehlspekulation, die sich langsam immer deutlicher abzeichnete, nur sehr bedrückt. Er zürnte sich selbst, daß er so sorglos alles hatte treiben lassen und nun plötzlich wie ein Sumō-Ringkämpfer im letzten Augenblick – kurz vor dem bereits sicher erscheinenden Sieg – aus dem Ring geworfen wurde. Seit den Morgenstunden kämpfe er instinktiv darum, sein Vertrauen zu sich nicht einzubüßen. Noch nie hatten seine Augen so kalt und arrogant wie heute ausgesehen. Immerhin hatten sich gegen zwei Uhr etwa dreitausend Zuschauer auf dem Innenfeld und den Tribünen eingefunden, aber als Omotos Begrüßungsworte aus den fünfunddreißig über den Stadion verstreut aufgestellten Lautsprechern ertönten und sinnlos in alle Ecken des Platzes hallten, begann es wieder zu regnen. Da trat, kaum waren die zwei, das erste Kampfpaar bildenden Stiere in die Mitte des Rings gebracht worden, Tashiro zu Tsugami hin, der auf einem der reservierten Plätze saß, und sagte in einem Ton, als könnte er sich keinesfalls weiter gedulden:
    »Es ist unmöglich! Die Zuschauer fangen an aufzubrechen. Lassen wir’s!«
    »Gut, machen wir Schluß. Geben Sie es durch das Mikrofon bekannt!«, entschied Tsugami eindeutig klar, stand auf, ging, völlig durchnäßt und bedächtig, als wollte er Schritt für Schritt vorsichtig bedenken, quer über das Spielfeld und stieg die Treppen zu den Innenfeld-Tribünen hinauf. Dort standen noch etwa tausend Zuschauer mit aufgespannten Schirmen oder über den Kopf gehaltenen Mänteln und äugten unruhig und mit Blikken, denen man anmerkte, wie ungern die Leute aufgaben, zum Kampfplatz hinunter.
    Als Tsugami in die Menge hineinging, befiel ihn zum ersten Mal Verzweiflung. Er setzte sich in eine Ecke der nassen, leeren Sitzreihen und verharrte, während der Regen auf ihn einpeitschte, unbewegt. Als die Lautsprecher den Abbruch der Veranstaltung bekanntgegeben hatten, begannen mit einem Mal die Zuschauer auf den Tribünen lärmend fortzugehen. Mit einem Gefühl, als müßte er sich mit allen Kräfen dagegen wehren, daß sein Körper von innen her zerplatzte, saß Tsugami mitten in der nun in Bewegung geratenen Menge allein und starrköpfig da.
    Als er plötzlich wieder zu sich kam, merkte er, daß jemand einen Schirm über seinen Kopf hielt und ihn so vor dem Regen schützte. Sein erster Gedanke war, daß dies wohl Sakiko sei, und tatsächlich stand, als er auflickte, Sakiko neben ihm. »Wie kannst du nur so dumm sein! Du erkältest dich doch. Steh auf!«, sagte sie wie befehlend. Aus ihren Augen sprachen Mitleid und Unbehagen, sie starrte Tsugami unbewegt an. Tsugami erhob sich folgsam.
    »Ich meine, du solltest jetzt nach Nishinomiya zurück!«, fuhr Sakiko fort.
    Tsugami richtete seine Augen, die, als sei er ohnmächtig geworden, seltsam ineinander verschwammen, auf Sakiko hin, doch schließlich faßte er sich und antwortete:
    »Einen Augenblick! Ich muß noch schnell etwas erledigen!«
    Dann ging er durch die ihm entgegenflutende Menge auf den Kampfplatz zu. Sakiko, die ihn begleitete, glaubte zu sehen, wie seine Beine, als er die Treppe hinunterstieg, gefährlich schwankten. Tsugami war bis zum Äußersten erschöpf. Nachdem er den Kampfplatz erreicht hatte und vor dem Parterre-Hauptausgang stand, bat er Sakiko, dort auf ihn zu warten, und begab sich allein ins Büro. Als er dort eintrat, war sein Gesicht noch bleich, aber es wirkte wie mit einem Schlag verändert. Er schien wieder der alte, stets krafvoll frische Tsugami zu sein. Omoto war nicht da. Als Tsugami nach ihm fragte, erhielt er die Auskunf, Omoto sei schon zur Zeitung zurückgefahren. Er wischte sich das regennasse Haar mit dem Taschentuch ab, kämmte sich, zog die Krawatte zurecht, steckte sich eine Zigarette an und erledigte mit einer fast irre anmutenden, erschreckenden Entschlossenheit in großer Eile eine Arbeit nach der anderen. Alles, was die Stiere betraf, übertrug er Tashiro, und für die Artikel,
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