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Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit

Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit

Titel: Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
Autoren: Margaret Weis
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schnürte es so fest zusammen, dass sie beinahe aufgehört hätte zu atmen. Shadamehrs Lippen wirkten bläulich, die Wangen eingesunken. Seine Stirn war kalt und feucht, sein langes, lockiges Haar schweißnass. Als sie ihm die Hand auf die Stirn legte, schauderte er und verzog schmerzerfüllt das Gesicht.
    Dann wurde die Tür wieder geschlossen, und das Licht verschwand. Alise blieb allein im Dunkeln. Allein mit Shadamehr – dem lästigen, unerträglichen, leichtsinnigen Shadamehr, diesem großzügigen, edelmütigen Narren. Geliebt, verachtet, nervtötend – und schwer verletzt. Alise wusste, dass er im Sterben lag, und zwar so sicher, wie sie wusste, dass er ihr Mann und sie seine Frau war, ob sie es nun zugaben oder nicht. Er lag im Sterben, und sie konnte nichts tun, um ihn zu retten, weil sie nicht wusste, was ihn umbrachte.
    »Ein Kratzer«, hatte er gesagt.
    Die Tür ging auf, und das Licht kehrte zurück. Alise hörte eine Frauenstimme fragen, ob sie etwas tun könnte. Jessan verneinte, und die Tür schloss sich wieder. Das Licht blieb. Jessan hatte eine Laterne sowie einen Eimer Wasser mitgebracht und sich an einer Lederschnur eine kleine Zinnflasche um den Hals gehängt. Er stellte die Laterne oben auf einem Fass ab und schob sie so zurecht, dass ihr Licht auf Shadamehr fiel. Dann stellte er den Eimer auf den Boden und reichte Alise die Flasche.
    Schließlich hockte er sich neben Shadamehr, schaute ihn an und schüttelte den Kopf.
    Jetzt, da sie Licht hatte, konnte Alise sich Shadamehr genau ansehen. Sie riss ihm das mit Blut verkrustete Hemd ab und sah genau das, was er ihr gesagt hatte – einen gezackten, dünnen Kratzer an seinem Brustkorb. Der Angriff war eilig geführt worden. Er hatte ins Herz gehen sollen, aber die Klinge war an einer Rippe abgerutscht. Alise riss einen Streifen Stoff vom Saum ihres Leinenhemds ab, tauchte ihn ins Wasser und wusch das Blut weg.
    Der Kratzer war offenbar von einer Klinge verursacht worden, die so dünn war wie eine Stopfnadel. Der Stich hatte die Haut durchdrungen, war aber nicht tief, denn sonst hätte es mehr Blut gegeben. Nichts Ernstes, jedenfalls nicht auf den ersten Blick – nichts, das einen solch schlimmen Zustand gerechtfertigt hätte. Sie beugte sich dichter heran, und dann fiel ihr auf, dass die Hautränder an der Wunde kreidebleich waren, beinahe so, als wäre die Wunde mit Schnee gekühlt worden.
    Alise hatte viele Jahre lang bei Shadamehr und seinen Leuten gelebt. Sie war in zahllose gefährliche und wagemutige Eskapaden verwickelt gewesen, und sie hatte sich daran gewöhnt, ihre heilende Magie bei Verletzungen aller Art anzuwenden, von Messerwunden über Bisswunden zu Risswunden, die von Ghoulklauen verursacht worden waren. Aber so etwas hatte sie noch nie gesehen.
    Oder doch? Sie musste plötzlich an Ulien denken, einen Freund von Shadamehr, der auf geheimnisvolle Weise umgekommen war. Sie und Shadamehr hatten herausfinden wollen, was Uliens Tod verursacht hatte. Sie erinnerte sich daran, wie der Körper des Mannes in der Leichenhalle gelegen hatte. Er war an einer einzigen Verletzung des Herzens gestorben, und die Wunde war klein gewesen und hatte kaum geblutet. Aber auch damals waren die Ränder gruselig weiß gewesen.
    »Ihr Götter«, flüsterte Alise. Ihre Hände fingen an zu zittern. Lass das, befahl sie sich. Er braucht dich. Du darfst jetzt nicht in Panik geraten.
    »Jessan«, sagte Alise, »was ist im Palast passiert? Erzähle mir alles. Wie ist Shadamehr verwundet worden? Hast du …« Sie sah den jungen Mann forschend an. »Hast du einen Vrykyl gesehen? Du weißt, was das ist, nicht wahr?«
    »Ja«, erwiderte Jessan, und ein finsterer, gehetzter Ausdruck trat in seine Augen. Abermals schüttelte er den Kopf. »Ich habe keinen Vrykyl gesehen. Und was passiert ist …«
    »Beeile dich«, unterbrach ihn Alise. »Ich glaube nicht…« Sie schluckte. »Ich fürchte, der Baron ist in großer Gefahr.«
    Jessan versuchte, sich genau zu erinnern und seine Gedanken zu sortieren, um seine Beschreibung so knapp und schlüssig wie möglich zu halten.
    »Man hat uns verhaftet und zu dem kleinen König gebracht und zu der Person, die nun wirklich über Neu-Vinnengael herrscht, wie der Baron gesagt hat.«
    »Die Regentin«, sagte Alise.
    »Genau. Shadamehr sagte, diese Regentin könnte vielleicht ein Vrykyl sein, denn Vrykyl können die Gestalt einer jeden Person annehmen, die sie getötet haben. Shadamehr glaubte, der kleine König sei der Gefangene
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