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Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter

Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter

Titel: Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Autoren: Margaret Weis
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ängstlich. Die Götter hatten ihn mit einem hervorragenden Orientierungssinn gesegnet. Er war geradeaus gegangen. Er war nicht abgebogen, er hatte keinen falschen Schritt gemacht. Der Tunnel hinter ihm hätte offen sein müssen.
    Dennoch, er war es nicht. Er tastete im Dunkeln herum, und endlich gelang es ihm, die Laterne wieder anzuzünden. Er hielt sie hoch, um sich die Mauer anzusehen.
    Sie bestand aus Erde.
    Er stellte die Laterne neben sich auf den Boden, um seinen Standort zu markieren. Er legte den Rucksack neben die Laterne. Dann ging er an der Wand entlang, die so plötzlich erschienen war, betastete sie, zählte seine Schritte. Nach zwanzig Schritten hatte er immer noch keine Öffnung gefunden. Er versuchte, die Finger in die Wand zu bohren. Die Erdmauer war so fest, als bestünde sie aus Ziegeln.
    Der Tunnel hinter ihm war versiegelt worden. Nun war er hier begraben.
    Gustav hatte in seinen siebzig Jahren häufig dem Tod gegenübergestanden. Er hatte gegen Menschen, Ungeheuer, Drachen und Geister gekämpft und sie alle besiegt. Er hatte mehrere Unfälle überstanden, war einmal beinahe ertrunken und einmal fast einem Attentat zum Opfer gefallen. Er hatte Verzweiflung und Schrecken kennen gelernt. Und Angst. Was das Wichtigste war, er wusste, wie er Angst zu seinem Vorteil nutzen konnte. Angst ist der Funke, der einen lebendig hält.
    Aber bisher hatte Gustav noch nie so etwas wie Panik erlebt. Die lernte er nun kennen, als er sich vorstellte, wie er sterben würde – langsam und quälend, verhungernd, austrocknend, allein in dieser dicken, erstickenden Dunkelheit.
    Sein Mund wurde trocken. Seine Hände waren schweißnass. Seine Innereien zogen sich zusammen, sein Magen verkrampfte sich. Ein Nerv an seinem Unterkiefer begann zu zucken. Er setzte dazu an, die magische Rüstung des Paladins heraufzubeschwören, und bei diesem Gedanken gelang es ihm, sich wieder zu fassen, sogar bis zu dem Punkt, dass er begriff, wie lächerlich diese Situation war. Die magische Rüstung anzulegen, hätte bedeutet, wie ein Kind unter eine Decke zu schlüpfen, das sich vor einem Blitzschlag schützen will. Die Rüstung schützte seine Gedanken nicht. Er musste sich aus dieser Gefahr hinausdenken.
    »Es muss einen Weg nach draußen geben«, murmelte er leise und zornig, weil er sich so hatte gehen lassen. »Du hast ihn nur noch nicht gefunden, und du wirst ihn auch nicht finden, wenn du den Verstand verlierst, den die Götter dir gegeben haben.«
    Dann sah er die Augen. Kleine Augen, glühend rote Augen dicht am Boden, und sie kamen näher, begleitet von schrillem Quieken und Schwatzen und dem Kratzen und Kribbeln unzähliger kleiner krallenbewehrter Füße. Als das erste dieser Geschöpfe ins Laternenlicht kam, sah er, dass es sich um Ratten handelte – Hunderte, ja Tausende von Ratten. Der Boden des Grabmals bewegte sich in Wogen aus schwarzem Fell und schien auf ihn zuzurasen. Ratten waren Fleischfresser, und so verrückt vor Hunger, wie diese Tiere waren, würden sie ihm das Fleisch jeden Augenblick von den Knochen reißen.
    Gustav rannte zurück zu der Stelle, wo er die Laterne abgestellt hatte, packte sie und schwang sie dem Ungeziefer entgegen. Die Ratten hatten Angst vor dem hellen Licht, also wichen sie zurück, aber immer noch mit blitzenden Augen wie eine Armee, die den Angriffsbefehl erwartet. Und das Licht würde nur so lange brennen, bis kein Öl mehr übrig war. Und dann würden die Ratten angreifen. Gustav würde einige von ihnen auf sein Schwert aufspießen, andere zertrampeln und sie damit eine Weile aufhalten können. Er könnte vielleicht sogar stundenlang kämpfen, aber irgendwann würde er doch müde werden. Er würde zusammenbrechen, und dann würden sie ihn verschlingen.
    Ein Summen erklang an seinem Ohr. Ein Insekt landete auf seiner Wange, und beinahe sofort spürte er einen kleinen, schmerzhaften Stich. Er legte die Hand an die Wange und zerdrückte eine Stechmücke zwischen den Fingern. Im selben Augenblick stachen ihn mindestens zehn andere Stechmücken überall, wo sie seine Haut erreichen konnten – im Gesicht, am Hals. Andere versuchten, unter seine Kleidung zu kriechen. Er konnte sie unter seiner Lederkappe spüren, wie sie ihm in den Schädel stachen. Rasch steckte er das Schwert wieder ein, stellte die Laterne hin, um die Ratten weiterhin fernzuhalten, und begann nach den Stechmücken zu schlagen. Er sprang umher und schüttelte Arme und Beine, um die Insekten loszuwerden. Jeder, der ihn
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