Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stachel des Skorpions

Der Stachel des Skorpions

Titel: Der Stachel des Skorpions
Autoren: Jason Hardy
Vom Netzwerk:
des Absenders -der nirgends im Dokument auftauchte - hätte respektable Beobachter schockiert. Und das Wissen, dass Victor Steiner-Davion in Korrespondenz mit ihm stand, wäre ein noch größerer Schock für den Geheimdienst der Republik gewesen.
    Doch Victor hatte schon ein langes Leben hinter sich. Er hatte in den blutigen, turbulenten Jahren vor der Gründung der Republik als MechKrieger gedient. In seiner Jugend und selbst noch in mittleren Jahren hatte er Kontakt zu einer beachtlichen Zahl von Menschen gepflegt, deren Name und Dossier Justizbehörden und Geheimdienste ausgesprochen nervös gemacht hätten. Und nicht wenige davon standen noch immer in seiner Schuld.
    Die Informationen in dieser speziellen Datei hatten einige dieser Schulden eingelöst. Aber Victor betrachtete den Preis als angemessen. In seinem Alter war die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich eine weitere Gelegenheit bieten würde, sie einzufordern, und er konnte die Informationen gut gebrauchen. Er war damit beschäftigt, ein Mosaik zusammenzusetzen. Zu diesem Zweck hatte er eine große Anzahl kleiner Einzelsteine gesammelt, die für sich allein keine Bedeutung hatten. Doch auf die richtige Art und Weise zusammengesetzt formten sie ein klares Bild.
    Die Steine für sein Mosaik zu sammeln, war der leichtere Teil der Übung gewesen, gestand er sich ein. Zumindest für ihn. Alles, was dazu nötig schien, war ausreichend Geld - oder die richtigen Schuldner
    - und genügend Geduld, verbunden mit jahrzehntelanger Übung darin, das große Ganze zu sehen. Unter den richtigen Umständen hätte es jeder tun können.
    Was als Nächstes kam, war weit schwieriger. Er musste dieses Mosaik so zusammensetzen, dass selbst der dümmste Senator, Ritter und - ganz besonders - Paladin das sich ergebende Bild erkannte und seine Bedeutung verstand. Er wollte keine Namen nennen, aber um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatten sich manche seiner Kampfgefährten schon immer eher durch Mut und kämpferisches Können ausgezeichnet als durch Intelligenz.
    Daher reichte es nicht, die Fakten aufzulisten und für sich selbst sprechen zu lassen. Er war gezwungen, sein Publikum an die Hand zu nehmen und Schritt für Schritt zur richtigen Lösung zu führen. Das sollte sein Vermächtnis an die Republik der Sphäre werden - eine letzte Aktion für Devlin Stones Traum. Dabei durfte er sich keinen Fehler leisten.
    Der Ausgang der bevorstehenden Wahl hing davon ab, wie gut er seine Arbeit machte, wie viele Paladine verstanden, was er jetzt wusste.
    Es ging um mehr als nur darum, Fakten und Gedanken zusammenzustellen. Er musste genau die richtigen Worte finden, den richtigen Ton treffen und alles in die richtige Reihenfolge bringen. Er war nie ein großer Redner gewesen und auch kein sonderlicher Diplomat, selbst wenn die Medien ihn inzwischen als Staatsmann bezeichneten. Aber das hatte er vermutlich nur seinem hohen Alter zu verdanken. Er war schon immer vor allem ein MechKrieger gewesen, und andere durch eine überzeugende Argumentation zu überzeugen, hatte so gar nichts mit dem Steuern eines Mechs gemein.
    Es war schon spät. Irgendwann verschwammen die Wörter und Sätze vor seinen Augen und Victor döste vor dem Bildschirm ein. Dann wurde der Schlaf tiefer, als der Sessel - ein Wunder moderner Designkunst und medizinischer Technologie - die Konturen automatisch stützend an seinen schlafenden Körper anpasste.
    Es wurde Morgen. Tageslicht drang durch die geschlossenen Vorhänge, und er schreckte hoch, als ein fröhliches »Guten Morgen« durchs Zimmer hallte.
    Die gut gelaunte Stimme gehörte Elena Ruiz, der Haushälterin, die sich um seine Zimmerflucht kümmerte, auch wenn Victor ebenso gut wie sie selbst wusste, dass Krankenschwester eine treffendere Bezeichnung gewesen wäre. Selbst in ihrer einfachen weißen Uniform war sie mit dem dunklen Haar, der olivbraunen Haut und dem offenen, allzeit zu einem Lächeln bereiten Gesicht eine Wohltat für die Augen eines alten Mannes. Auf ihre Begrüßung folgte eine Lichtflut, da sie die Vorhänge gnadenlos aufzog und die helle Wüstensonne ins Zimmer knallte.
    Victor reagierte mit einem gutmütigen Knurren. »Du wirst dafür bezahlt, mich gesund zu halten, Frau, nicht, mich umzubringen.«
    »Ha!«, antwortete sie. »Sie überleben uns noch alle. Und wenn Sie zum Schlafen ins Bett gehen würden wie normale Menschen, brauchten Sie sich auch keine Sorgen zu machen, dass ich morgens die Vorhänge aufziehe.«
    »Ich habe gearbeitet«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher