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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin
Autoren: balzon
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Emilia! Als sie Elin sah, lächelte sie gequält und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Noch nie hatte Emilia so erschöpft und müde ausgesehen. Sogar ihr leuchtend r o tes Haar wirkte stumpf und zerzaust und die grauen Strähnen in dem dicken Zopf fielen noch mehr auf als sonst. Nur Elin wusste, warum sich die Magd so lange in der Vorratskammer aufhielt. In einer der Nächte hatte Emilia ihr anvertraut, dass sie manchmal nicht anders konnte, als sich an ein Fass zu lehnen und zwischen den Schinken und den Holzbehältern mit getrockneten und eingelegten Pilzen die Augen zu schließen, bis die E r schöpfung ein wenig nachließ.
    »Mir reicht es jedenfalls mit dir«, meinte Greta. »Ich werde den Diebstahl melden.«
    »Melde doch, was du willst!«, erboste sich Emilia. »Bei mir wird keiner Schmuck finden.«
    »Das werden wir ja sehen! Verdammtes Finnenpack!«, giftete Ida.
    »Pass auf, was du sagst!« Emilia hatte das Messer e r hoben, an dem noch ein Stück Silberhaut klebte. Der Feuerschein spiegelte sich in der Klinge.
    »Nimm das Messer herunter, du Hexe!«
    Zischend schmolz der Schnee im Kupfertopf. Alle starrten Ida an. Sie wurde zwar rot, aber sie warf herau s fordernd den Kopf zurück und stemmte die Hände in die Hüften. »Und wenn sie keine Hexe ist, dann ist sie doch eine Diebin«, sagte sie trotzig. Elin erwartete, dass Greta sie zur Rede stellen würde, aber die Köchin machte keine Anstalten, Emilia in Schutz zu nehmen.
    »Hört auf mit dem Streit«, sagte sie nur. »Das werden andere entscheiden.« Emilia wurde so blass, dass die Sommersprossen in ihrem Gesicht leuchteten. Das Me s ser sank herunter und baumelte in ihrer Hand wie ein welkes Blatt an einem Ast. Elin wandte sich um und b e trachtete die kupfernen Bettpfannen, die an ihren langen Stielen neben dem Ofen aufgehängt waren. Bevor die Herrschaften zu Bett gingen, wurden die flachen Behälter mit Glut gefüllt und unter die klammen Decken gesch o ben, bis das Bett warm und trocken war. Aber es gab nicht nur Bettpfannen, sondern auch kupferne Wärmfl a schen, in denen ein erhitztes Eisenstück Platz fand. Die letzten Schneebrocken zerfielen in Elins Händen und lö s ten sich i m Wasser auf. Es gab nur einen Weg, Emilia zu he l fen. Er führte zu Victor.
    Verstohlen griff sie zum Schürhaken und zog eines der heißen Eisenstücke, die am Rand des Feuers lagen, zu sich heran. Mit wenigen Handgriffen hatte sie es in ein Stück Küchenleder eingeschlagen, nahm die Wärmfl a sche und ließ das Eisen hineingleiten.
    »Was machst du da?«, fragte der Suppenkoch.
    »Ich soll Victor einen Beinwärmer bringen«, murmelte Elin. »Einer der Gäste hat darum gebeten.« Sie hoffte, der Koch würde nicht sehen, wie rot sie wurde. Aber der knurrte nur etwas und drängte sie beiseite. Elin drückte die Kapsel an sich und schob sich zur Tür.
    »He!«, rief Greta. »Wo willst du hin?«
    »Zu Victor!«, antwortete der Suppenkoch an Elins Stelle. »Er will die Wärmflasche für einen Gast haben.«
    »Du gehst nicht!«, befahl Greta. »Maditt – bring du sie ihm! Das fehlt mir gerade noch, dass eine räudige Katze wie die da der Herrschaft vor den Füßen herumläuft.«
    Alle Blicke richteten sich nun auf Elin. Das Kupfer der Wärmflasche hatte die Hitze des Eisens noch nicht angenommen, dennoch fühlte Elin sich, als würde Glut durch ihre Adern strömen, jeden Gedanken und jede Vernunft verzehrend. In diesem Augenblick hasste sie die Köchin aus vollem Herzen – mehr, als sie die Gu d munds je gehasst hatte.
    Sie warf Greta einen herausfordernden Blick zu, dre h te sich zur Tür und rannte los. Gretas empörter Aufschrei beflügelte ihre Schritte. »Dir gerbe ich das Fell!« Gri m miger Triumph wallte in Elin auf. Es würde Prügel se t zen, ja, aber dafür m usste Greta sie erst einmal erw i schen! Bei jedem Schritt schlug das Eisen gegen die Wände seiner kupfe r nen Kammer.
    »Haltet sie!«, zeterte Greta am Ende des Dienstbote n gangs. Doch Elin hatte bereits die Treppe erreicht. Mit einer Hand raffte sie ihren Rock und nahm zwei Stufen auf einmal. Keuchend sprang sie weiter, die heiße Kapsel fest unter den Arm geklemmt. Schon war sie sicher, j e den Moment eine Hand auf ihrer Schulter zu spüren, als ihr plötzlich klar wurde, dass die Schritte, die sie hörte, nur ein Hall waren, der von den glatten Wänden zurüc k geworfen wurde. Die Rufe waren verstummt. Elin e r reichte die letzte Stufe, fegte um die Ecke und hielt ke u chend inne. Sie
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