Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin
Autoren: balzon
Vom Netzwerk:
Garnknäuel reichte. Elin nutzte diesen Augenblick der Unaufmer k samkeit, öffnete die Tür und schloss sie gleich darauf wieder etwas zu laut. Fast im selben Moment huschte sie zur großen Kleidertruhe, die neben der Tür stand, und versteckte sich dahinter. Der Duft von gewachstem Holz und parfümiertem Stoff drang ihr in die Nase. Ihre Wa n ge streifte einen Samtrock, der über der Truhe ausgebre i tet war. Elin zuckte zurück. Ein Lachen der Französin war vernehmbar, das in ein trockenes Husten überging. Elin hörte das Schleifen eines Rocks auf dem Holzboden und dann leise Stimmen im Nebenzimmer. Auf allen vi e ren kroch sie zum Rand der Truhe. Nur wenige Schritte en t fernt befand sich der Korb mit dem Tuch. Noch ei n mal holte sie tief Luft, dann wagte sie einen Blick ins Zi m mer. Madame Joulain saß halb von ihr abgewandt, ganz in ihre Stickerei vertieft. Elin konnte ihren Nacken sehen. In G e danken zählte sie bis drei, dann huschte sie los.
    Sie zögerte nur kurz, bevor sie den feinen Stoff b e fühlte. So musste sich das Feenhaar anfühlen, von dem Emilia so gern erzählte. Und inmitten dieser Weichheit ertastete sie einen kleinen, harten Gegenstand. Ein L ä cheln breitete sich über Elins Gesicht. Am liebsten hätte sie einen Triumphschrei ausgestoßen. Das Medaillon war überraschend klein. Die Blütenblätter waren so filigran, dass Elin fürchtete, sie durch eine u nachtsame Bewegung zu zerdrücken. Behutsam hakte sie den verbogenen Ve r schluss vom Stoff los, nahm das Schmuckstück an sich und schlich, so schnell und so leise sie konnte, aus dem Zimmer.
     
    In ihrer heißen Hand pochte es, als hielte sie ein Herz aus Gold umschlossen. Ohne auf die verwunderten Bli c ke der Lakaien zu achten, rannte sie über die Flure. Nun musste sie so schnell wie möglich zu Victor! Endlich kam der dunkelgrüne Vorhang in Sicht. Schon von we i tem erkannte Elin die Stelle, an der der Samt eine schr ä ge Falte warf. Mit flinken Händen tastete sie unter den Saum und fand ihre Schürze. Der Vorhangstoff fiel schwer auf ihre Schulter. Sie versuchte ihn mit einer u n wirschen Bewegung abzuschütteln, aber es wollte ihr nicht gelingen. Plötzlich verlor sie das Gleichgewicht und kippte in der Hocke um. Irritiert blickte sie auf zwei bestrumpfte Beine. Der Griff an ihrem Oberarm verstär k te sich, bis er schmerzte. Olofs Gesicht sah gar nicht mehr freundlich und hübsch aus.
    »Was hast du hier verloren ? «, zischte er sie an. »Na warte, wenn Greta dich in die Finger bekommt!« Elin stemmte sich gegen den harten Griff, zog das linke Knie an den Körper und trat Olof gegen das Schienbein. Sein Aufschrei gellte ihr noch im Ohr, als sie sich längst au f gerappelt hatte und zur Treppe floh. Aber sie hatte nicht mit seiner Schnelligkeit gerechnet. Kurz vor der Treppe erreichte er sie und packte sie am Kragen. Elin wirbelte herum. Der Stoff ihrer Jacke würgte sie, aber es gelang ihr, sich unter Olofs Arm umzudrehen und sich aus d em Griff zu winden. Wenn er sich nicht die Finger verrenken wollte, musste er sie loslassen. Plötzlich e r starrte der Tischdiener.
    »Was hast du da?« Mit weit aufgerissenen Augen starrte er die goldene Kette an, die zwischen ihren Fi n gern hervorbaumelte. »Das Medaillon! Du hast es also gestohlen!«
    Elin riss sich mit aller Kraft los. Wie sie richtig ve r mutet hatte, war Olof viel zu besorgt um seine Finger und seine makellose Livree, als dass er sich auf ein ernsthaftes Gerangel eingelassen hätte. Im Laufen sah sie sich nach ihm um. Sie wunderte sich, dass er sie nicht verfolgte. Der Diener stand nur da, mit offenem Mund und einem törichten Gesichtsausdruck. Er sieht gar nicht mich an, schoss es Elin durch den Kopf. Im selben M o ment prallte sie gegen eine Schulter. Ein schwerer Rock wickelte sich um ihre Beine und ließ sie straucheln. Mit einem Keuchen stürzte sie zu Boden. Der Duft von g e wachstem Holz stieg ihr in die Nase. Elin stützte sich auf den Händen ab und schnellte hoch. Flüchtig blickte sie in zwei empörte blaue Augen, dann nagelte eine tiefe, u n gehaltene Stimme sie fest.
    »Haltet sie!« Elin wusste nicht, woher die zwei Ga r disten plötzlich aufgetaucht waren. Grobe Hände packten sie. »Los, hierher zu mir!« Im schwachen Licht des Gangs glänzte unheilvoll das Eisen der Langwaffen. Die anderen Soldaten traten zur Seite und gaben den Blick frei auf eine zornige junge Frau. Sie war kaum größer als Elin, aber die Wut verlieh ihr eine Aura aus Blitz und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher