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Der Spiegel aus Bilbao

Der Spiegel aus Bilbao

Titel: Der Spiegel aus Bilbao
Autoren: Charlotte MacLeod
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unbewohnt waren, wie in den vergangenen Jahren wieder
mehrere Einbrüche gegeben. Zwar würde kein Einbrecher seine Zeit mit dem
Versuch verschwendet haben, etwas aus dem Kelling-Haus zu entwenden, doch
vielleicht hatte er das einsam gelegene Gebäude als geeignetes Versteck für
seine Diebesbeute betrachtet. Das bedeutete, daß er irgendwann zurückkommen und
den Spiegel holen würde.
    »Einverstanden«, seufzte sie.
»Meinst du nicht auch, wir sollten am besten sofort nach diesem reizenden
Sergeant Jofferty fragen?«
    Er war es gewesen, der ihr
damals die schreckliche Nachricht vom Autounfall ihres Mannes überbracht hatte,
und genau hier vor dem Haus hatte er gestanden, in derselben Auffahrt, von der
aus sie Alexander kurz zuvor zum Abschied zugewunken hatte. Alexander hatte so
glücklich ausgesehen, als er mit seiner blinden Mutter aufbrach — und nicht
wußte, daß dies die letzte Fahrt in seinem 1920er Milburn Electric sein würde,
dem nach Sarah selbst seine ganze Liebe gehörte. Das war im letzten November
gewesen. Jetzt war es Anfang Juni, fast sieben Monate später. Man hätte
annehmen können, daß sie den Schmerz inzwischen überwunden hatte, doch manchmal
tat die Erinnerung immer noch sehr weh. Deshalb war sie auch noch nicht in der
Lage, das zu tun, was Max Bittersohn wollte und was sie selbst auch wollte, nur
nicht in Augenblicken wie diesem, wenn sie wieder an ihren attraktiven, von
Sorgen gequälten Ehemann denken mußte, der so viel älter als sie gewesen war
und den sie über alles geliebt und auf so grausame Weise verloren hatte.
    »Ich kenne Jofferty«, antwortete
Max eine Spur zu schnell. Er wußte, woran sie dachte. Irgendwie schien er immer
ihre Gedanken zu lesen. »Funktioniert das Telefon?«
    »Ich denke schon. Ich habe es
schriftlich ab ersten Juni wieder angemeldet. Die Nummer der Polizei steht auf
dem Block da.«
    In Alexanders kleiner,
ordentlicher Handschrift. Irgendwann in naher Zukunft würde sie durch das Haus
gehen und all die schmerzlichen kleinen Erinnerungen entfernen müssen. Es würde
genauso sein, als ob sie ihn ein zweites Mal sterben ließ. Als Max die Nummer
gewählt hatte und wieder hochschaute, sah er, daß Sarah weinte. Er schenkte ihr
ein gequältes Lächeln, mitfühlend und verärgert zugleich, und zog sie nah zu
sich heran, während er telefonierte.
    »Ich hätte gern mit Sergeant
Jofferty gesprochen. Ach so. Könnten Sie ihn denn vielleicht über Funk
verständigen? Sagen Sie ihm, Mrs. Kelling draußen in Ireson’s Landing möchte
ihm unbedingt etwas zeigen. Nein, Gott sei Dank, nichts derartiges. Sie hat nur
etwas gefunden, was darauf hinweisen könnte, daß jemand versucht hat, hier
einzubrechen. Ich bin ihr Mieter, Max Bittersohn, Ira Rivkins Schwager. In
Ordnung, ich werde es Ira ausrichten.«
    Er legte auf und zückte sein
Taschentuch. »Hier, putz dir die Nase. Ich hoffe, du verstehst, daß ich
lediglich versuche, dich vor neuen Schwierigkeiten zu bewahren.«
    »Das weiß ich doch, Max. Das
ist es nicht.« Sie schniefte und putzte sich die Nase. »Es ist — ach, du weißt
doch genau, warum. Warum holst du nicht meine restlichen Sachen aus dem Wagen,
während ich den Korb nach oben bringe und auspacke? Was sollen wir denn jetzt
mit dem Spiegel machen?«
    »Ihn wieder dahin hängen, wo
wir ihn gefunden haben, bis Jofferty kommt. Mach dir keine Sorgen, Sarah.«
    Bittersohn, der den Rahmen
immer noch mit dem Stück alten Vorhang festhielt, hängte den Spiegel wieder
zurück an den Haken und ging dann nach draußen, um Sarahs Koffer zu holen,
während sie den Korb in den ersten Stock trug.
    Vor einigen Wochen hatte sie an
ihrem 27. Geburtstag die Verfügungsgewalt über das Geld erhalten, das ihr Vater
ihr hinterlassen hatte. Nach anfänglichem Zögern hatte sie etwas Geld dafür
ausgegeben, um einige der Möbel zu ersetzen, die sie im letzten Winter aus
Ireson’s Landing mitgenommen hatte, als sie ihr Backsteinhaus auf Beacon Hill
in eine Pension verwandelt hatte. In ihrem Zimmer gab es jetzt eine neue
Matratze, und im Kutscherhaus eine weitere für Max. Er sollte nämlich in dem
Häuschen wohnen, in dem früher der Kutscher untergebracht war. Die
Verwandtschaft würde es zu skandalös finden, wenn Sarah und er im großen Haus
schliefen, bevor sie brav und ordentlich den Bund fürs Leben geschlossen
hatten. Noch wichtiger war, daß jetzt das Kutscherhaus wieder bewohnbar war,
denn so würden sie einen Zufluchtsort haben, wenn zu viele
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