Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
Wäscheklammern, die seine Frau, die liebe, anbetungswürdige Schlampe, nach herbstlichem Wäscheaufhängen hereinzuholen versäumt hatte – die weißen Laken klatschten, der letzte wirbelnde Staren-Exodus pfefferte den faden Himmel. Das war lange her. Dies hier war das Jetzt. Vor langer Zeit einmal blinzelten die heimlichen Sterne des Rauhreifs unter seinen Sohlen. Er sah voraus, daß der Zaun gezogen werden würde, erinnerte sich sogar an die (mit braunem Farbband getippte) Rechnung des Bauunternehmers (ein erbärmlicher, inzwischen längst bankrotter Gauner), der ihn auf Beschluß des Rats der Diakone (Vorsitzender: Gerald Harlow) dort errichtete, wählte als Standfläche eine Stelle auf der hart gefrorenen Blumenrabatte, wo keine gekappten alten Rosenranken ihn hätten stechen können («Mit Hilfe des Dornes in meinem Fuß», schrieb Kierkegaard, «springe ich höher als einer mit heilen Füßen»), und mit einem weichen, parabolischen Schritt schwang unser ehemals athletischer Geistlicher und Voyeur seine ungegürteten Lenden einen luftigen Zoll hoch über die spitzen, angemalten Latten hinweg und betrat mit kalten Zehen unbefugt den ungepflegten Rasen seines femininen bärtigen Hilfsgeistlichen Ned (für Thaddeus, irgendwie) Bork.
    Falschheit, dein Name könnte auch Bork sein. Der Schreiber dieser Zeilen, dessen Nase und Augäpfel noch von seinem ersten Nachmittag in der Wüstensonne brennen, vermag kaum zu sagen, was als das Abscheulichste an diesem weit entfernten jungen Mann hervorsticht. Seine salbungsvoll-singende, tertianerhaft-schleppende Sprechweise? Seine rosigen Wangen? Die Andeutungen von Akne? Die kastanienbraunen Locken seines stolzen Bartes? Seine froschfarbenen Augen? Oder war es seine lasche Theologie, dieser makellose Eierpudding aus Jungschem und Reichschem Soma-Mystizismus, in einer Karamelsauce von Tillichschem, Jaspersschem und Bultmannschem Geschwätz schwimmend, und das Ganze in der billigen Schüssel der von seiner lahmarschigen Generation zur Schau getragenen, lässigen Gemütlichkeit serviert? Sein ansteckendes Gekicher? Oder die Tatsache, daß alle in der Gemeinde, vom plärrenden Täufling bis zur alten, im Sauerstoffzelt pfeifend ihr Leben aushauchenden Greisin, ihn liebten?
    Tatsächlich mochte auch ich ihn gern.
    Und wollte, daß er mich gern mochte.
    Er war dort drinnen bei meiner fleischlichen Liebe. Ich kroch von Fenster zu Fenster und nahm die unterschiedlichen Berührungen der verschiedenartigen Sträucher hin, die von der Baumschule am Ort (wo man fromm die puertorikanischen Päonienpflücker im zweckmäßigen Sklavenstatus südamerikanischer Peones hielt) für unsere heilige Sache der Pfarrhausverschönerung gestiftet worden waren. Hier in der umgebauten und als Junggesellenwohnung eingerichteten Garage waren sie, meine Organistin und mein Kuratus, je eine Person beider Geschlechter, wie zwei ineinandergehakte Ohrringe in einem Kasten, der zu groß für derlei Inhalt ist. Eintrübes Licht war in Borks Wohnung immerhin zu sehen. Seine Zimmer, zwar nicht viele und alle zu ebener Erde, waren mit einer Raffinesse angelegt, die mich wahnsinnig machte: von welchem Fenster aus ich auch, meine Nacktheit umklammernd, hineinspähte, immer verstellten mir trickreich gezogene Trennwände den Blick auf das, was ich sehen wollte. Die Ausschnittfiguren in meinem hohlen Osterei waren alle auf die eine Seite gekippt und präsentierten nur undeutlich eindimensionale Ränder. Doch in den Pausen zwischen dem knisternden Donner meiner Füße und der schweren Brandung meines Atems hörte ich Stimmen – oder, wenn nicht Stimmen, so doch die sanft geriebenen Stellen an der Oberfläche des Schweigens, die zeigen, wo Stimmen gelöscht worden sind.
    Vorsichtig, damit der hypothetische Streifenwagen mich, den idealen, bloßärschigen Einbrecher, nicht entdeckte, schlich ich zum Querweg und spähte durch das Fenster links neben der Vordertür hinein. Am anderen Ende des winzigen, innen riesigen Hauses, in dem anscheinend durch rosarote Decken gedämpften Lampenlicht sah ich ein weißes Dreisteck { * } schnell wie durch den Verschluß einer Nikon über der Kante eines Sofas aufblitzen und ebenso schnell wieder dem Blick entschwinden. Zu spitz für ein Knie – also mußte es ein Ellbogen gewesen sein. Zu schön, als daß er der seine hätte sein können – also mußte es ihrer gewesen sein. Sie auf ihm, in der Stellung von Hera und Zeus, von Schakti und Schiwa. Mehr Macht dem Schlüsselloch!
    Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher