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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger
Autoren: Monika Feth
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übernächtigt, und Bert bekam eine Vorstellung davon, was er in den vergangenen Tagen durchgemacht haben musste.
    Nicht nur in den vergangenen Tagen. Er musste durch die Hölle gegangen sein von dem Augenblick an, als er beschlossen hatte, gegen Leo Machelett auszusagen.
    Bert registrierte befriedigt, wie sich auch das letzte Puzzleteilchen an seinen Platz schob. Auf einmal erklärte sich alles. Die fehlende Vergangenheit Lukas Tadikkens. Sein nicht vorhandener Freundeskreis. Die klinische Ordnung in seinem Zimmer.
    Er glaubte jedes Wort.
    Leo Machelett war ihm bis heute kein Begriff gewesen, was sich dadurch erklärte, dass sich das Betätigungsfeld dieses Mannes auf Ostdeutschland, Tschechien und Polen beschränkte. Ein Anruf bei der Kollegin in Görlitz würde Bert mit einer Flut an Material überschütten, da war er sich sicher.
    »Und Sie wissen nicht, wo Kristof Machelett sich zurzeit aufhält?«, fragte er.
    Luke schüttelte müde den Kopf.
    »Können Sie mir denn sagen, wie viele Männer ihn bei seinem Rachefeldzug unterstützen?«
    »Leider nicht. Ich habe nur Ron gesehen, und wenn der mitmischt, ist auch der Doc nicht weit.«
    Bert sah ihn fragend an.
    »Kristof kennt Ron und Mirko schon eine Ewigkeit. Die beiden sind ein paar Jahre älter als er, so zwischen Mitte zwanzig und dreißig. Ihre Nachnamen kennt keiner. Ron ist dumm wie Bohnenstroh, aber Mirko hat Grips. Das hat ihm seinen Spitznamen Doc eingebracht. Sie sind die gefährlichste Waffe der Organisation .«
    »Organisation …«
    »Ein hübscher Allerweltsname für eine kriminelle Vereinigung, finden Sie nicht?« Luke grinste ironisch. »Irgendwie netter als Syndikat oder Kartell oder Mafia .«
    Bert überdachte, was er erfahren hatte.
    Ihre Überlegungen hatten sie sehr nah an die Wahrheit herangeführt, und nachdem sie gestern beschlossen hatten, die Fahndung nach Luke auszuweiten, wären sie ihm wahrscheinlich bald auf die Spur gekommen. Wenn sein neuer Name auch niemandem in seiner alten Heimat etwas sagen mochte – auf dem Foto hätte man ihn erkannt.
    »Ich wundere mich darüber, dass Sie nie aktenkundig geworden sind«, sagte Bert. »Das ist doch eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.«
    »Leo hat alles getan, um Kristof und mich zu schützen. Er hat dafür gesorgt, dass wie nie mit den Bull… mit der Polizei zu tun hatten. Außerdem …«
    Luke schien nicht zu wissen, ob er aussprechen sollte, was ihm auf der Zunge lag. Zögernd sah er Bert in die Augen.
    »Ja?«
    »Außerdem hat Leo die meisten … Leute gekauft.«
    »Auch Polizisten.« Bert nickte. »Verstehe.«
    » Vor allem Polizisten«, sagte Luke.
    Das war nicht neu für Bert, trotzdem spürte er Übelkeit in sich aufsteigen. Ein Polizist, der mit Kriminellen gemeinsame Sache machte, war erbärmlich. Er war wie ein Arzt, der tötete, statt Leben zu retten.
    Obwohl er wusste, dass die Polizei einen Querschnitt durch die Gesellschaft darstellte, man unter den Beamten demnach auch Betrüger, Vergewaltiger, Kinderschänder, Erpresser und Mörder fand, hing er immer noch an der schönen Vision eines Kämpfers für Recht und Ordnung, wenn er über seinen Beruf nachdachte.
    »Tut mir leid«, sagte Luke.
    Als wollte er sich dafür entschuldigen, dass die Welt war, wie sie war, nicht vollkommen, höchstens in Ansätzen gut.
    »Ihm kannst du vertrauen«, sagte Jette leise.
    Sie hatte sich lange zurückgehalten. Fast hätte man vergessen können, dass sie sich im selben Raum mit ihnen befand. Der grobe Holztisch stand in der Ecke beim Fenster, eingerahmt von vier schlichten Bänken aus dem gleichen Holz, alles fest im Fußboden verankert.
    Jette zog die Füße an und umschlang die Knie mit den Armen.
    Schutzhaltung, registrierte Bert automatisch. Luke dagegen hatte die Arme vor der Brust verschränkt und damit eine deutliche Abwehrhaltung eingenommen. Beide schauten Bert abwartend an.
    Bert hatte beschlossen, Jette vorerst nicht mit dem Tod ihrer Kollegin Beckie zu konfrontieren. Dazu war sie im Augenblick emotional zu stark belastet.
    »Ich möchte Sie beide irgendwo unterbringen, wo Sie bleiben können, bis ich weiß, dass Sie sicher sind«, sagte er. »Wenn es bei uns eine undichte Stelle gibt, werde ich sie finden.«
    Aber wie, fragte er sich beunruhigt. Sollte er jetzt jedem einzelnen Kollegen misstrauen, heimlich in fremden Schreibtischschubladen schnüffeln, achtlos abgelegte Handys kontrollieren und vertrauliche E-Mails lesen?
    »Und wenn wir uns an meine Mutter wenden?«, schlug
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