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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger
Autoren: Monika Feth
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wir ein Stück, in dem jeder außer mir seine Rolle kennt.
    »Reden Sie mit mir«, sagte der Kommissar.
    »Wozu?«
    »Er will uns helfen, Luke.«
    Immer noch sah er Jette in die Augen.
    Sie hatte ihn verraten.
    »Luke …«
    Sie hielt ihm die Hände hin, obwohl sie doch zu weit entfernt war, als dass er sie hätte ergreifen können. Ihr Blick ließ ihn nicht los.
    »Bitte …«
    Er wandte sich ab, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Fahrertür, die leise klackend ins Schloss fiel, und blickte müde in die Dunkelheit. Ab jetzt konnte er die Stunden zählen, bis Kristof allem ein Ende machen würde.
    Irgendwie fühlte es sich richtig an. Luke war in seinem ganzen Leben noch nie so erschöpft gewesen. Wenn er jetzt sterben musste, war das nur ein kleiner Schritt tiefer in die Dunkelheit hinein. Vielleicht fand er dort, was er vor vielen Jahren verloren hatte.
    Ruhe und Frieden.
    »Luke …«
    Nein. Es mochte sich richtig anfühlen, aber der Zeitpunkt stimmte nicht. Kristof würde sich nicht mit seinem Tod zufriedengeben. Er war auch hinter Jette her.
    Es kostete Luke eine ungeheure Anstrengung, sich wieder umzudrehen. Über das Autodach hinweg musterte er das Gesicht des Kommissars.
    »Sind Sie allein gekommen?«
    Der Kommissar nickte.
    Das schien zu stimmen, musste jedoch kein gutes Zeichen sein. Wenn er auf Kristofs Gehaltsliste stand, hatte er jetzt die Möglichkeit, sie beide bequem und ohne Zeugen aus dem Weg zu räumen.
    Aber warum hatte er das noch nicht getan? Wieso stand er da und wollte reden? Sein Verhalten konnte eigentlich nur bedeuten, dass er tatsächlich sauber war.
    Luke musste eine Entscheidung treffen.
    »Okay«, sagte er. »Ich erzähle Ihnen alles. Unter einer Bedingung.«
    Der Kommissar zog eine Augenbraue hoch.
    »Wenn Sie alles gehört haben, bringen Sie Jette in Sicherheit.«
    Der Kommissar nickte.
    Sicherheit, dachte Luke. Wie gern wollte er daran glauben, dass es so etwas gab.
    Er war nicht davon überzeugt, das Richtige zu tun, doch er wollte sich darauf einlassen. Der Typ ging ein hohes Risiko ein, indem er darauf verzichtete, ihn mit der Waffe in Schach zu halten oder ihm Handschellen anzulegen. Vielleicht hatte er sich in ihm getäuscht.
    Und in Jette. Erst jetzt sah er sie wieder an. Vielleicht war das, was sie getan hatte, kein Verrat.
    Vielleicht.
    *
    Imke saß im Wintergarten und wartete, ohne genau zu wissen, worauf. Sie hatte kein Licht gemacht und blickte hinaus in die Dunkelheit, die fast vollkommen war. Innen und außen waren miteinander verschmolzen, und sie spürte wieder, wie sehr sie hier zu Hause war. Vor etwa einer Stunde hatte sie sich aus dem Bett gestohlen und Tilo schlafend zurückgelassen. Sie hatte sich wieder angezogen und sich eine Kanne Tee aufgebrüht. Seitdem saß sie hier. Und wartete.
    Sie hatte den ganzen Abend telefoniert, sogar mit ihrem geschiedenen Mann und mit Angie, seiner neuen Frau. Niemand hatte etwas von Jette gehört.
    »Wir müssen der Polizei vertrauen«, hatte der Mann, den sie einmal geliebt hatte, mit stolpernder Zunge gesagt, und Imke hatte seine Fahne beinah riechen können.
    Im Hintergrund hatte sie Partylärm gehört. Er hatte schon immer gern gefeiert. So schnell wie möglich hatte sie das Gespräch abgebrochen.
    Der Polizei vertrauen.
    Ihm vertrauen. Dem Kommissar.
    Das tat sie doch. Aber warum gab er ihr kein Zeichen? Wieso rief er nicht an, um sie zu beruhigen?
    Imkes Blick irrte in Richtung Scheune. Sie hätte jetzt gern den Bussard auf dem Dach sitzen sehen. Es hätte sie beruhigt. Doch die Dunkelheit hatte alles ausradiert.
    »Was tust du denn hier im Finstern, Ike?«
    Tilos Stimme bei der Tür. Schläfrig und sanft.
    »Kein Licht, bitte.«
    Er trat hinter sie und begann, ihren verspannten Nacken zu massieren. Imke schloss die Augen und stöhnte leise.
    »Alles wird gut«, sagte er.
    »Ja«, flüsterte Imke und klammerte sich an die Sicherheit in seiner Stimme.
    *
    Mitternacht war vorbei, als Luke sich erschöpft zurücklehnte und die Beine ausstreckte. Der Himmel war jetzt mit Sternen gesprenkelt und das Gras auf der Lichtung war in Silber getaucht.
    Der Wald steht schwarz und schweiget.
    Bert hatte diese Zeile aus dem Abendlied von Matthias Claudius immer geliebt. Jetzt wusste er, wie treffend die Worte waren. Fast konnte man vergessen, dass sich hinter diesem stummen Wald eine Welt befand.
    Er hatte dem jungen Mann ruhig zugehört und ihn nur dann und wann mit einer Frage unterbrochen. Im Mondlicht wirkte Lukes Gesicht bleich und
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