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Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen

Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen

Titel: Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen
Autoren: Sabine Ludwigs
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Ein Freund wie ein Bruder“, hörte er die Stimme seines Vaters.
    Nick meinte eine unsichtbare Hand zu spüren, die sich auf seinen Verstand legte und sein Denken in eine ganz bestimmte Richtung lenkte.
    Dann sprach seine Mutter es aus. „Du könntest dieser Freund sein.“
    „Ich? Nein! Nein, das könnt ihr voll vergessen.“
    „In Ordnung. Wenn du nicht willst. Niemand erwartet das von dir“, behauptete sie hastig.
    „Ach nee? Mensch, Mama, ich bin doch nicht blöd! Warum habt ihr mir das denn alles erzählt, hä?“
    Nachdem sie einen Elternblick getauscht hatten, nickten sie. „Zugegeben – wir haben es zumindest gehofft“, räumte seine Mutter ein.
    „Wusste ich es doch! Aber darauf habe ich keinen Bock. Nein, echt nicht. Es sind Ferien, verdammt. Ich will endlich chillen. Was habe ich mit irgendeiner Lina zu tun?“
    „Gar nichts.“ Sein Vater hob beschwichtigend die Hände. „Es war bloß eine Idee von Marion. Sie hoffte, dass Lina sich möglicherweise mit dir anfreundet und wieder anfängt zu sprechen. Du weißt, sie suchen noch nach Jan, haben aber keine heiße Spur. Darüber bringen sie schließlich jeden Tag was im Fernsehen oder in der Zeitung. Die Polizei vermutet, Lina könnte eine Beobachtung gemacht haben, die ihnen bei der Suche weiterhilft. Etwas von Belang, von dem sie nicht ahnt, dass es wichtig ist. Mehr unbewusst. Ihr Zimmer geht zu dem Garagenhof raus, von dem Jan verschwunden ist. Verstehst du?“
    „Ja. Schon.“
    „Nach Marions Anruf haben wir uns vorgestellt“, meinte seine Mutter gepresst, „wie es wäre, wenn wir an der Stelle von Linas Eltern wären. Die meisten Eltern denken solche Dinge, wenn ein Kind verschwindet. Wir fragen uns, warum das geschieht. Und wer einem das antun kann. Gleichzeitig sind wir heilfroh, dass es nicht unser eigenes Kind ist. Aber wir malen uns aus, was wäre, wenn. Wie verzweifelt wir wären. Wie machtlos. Was für eine Angst das sein muss. Und man wünscht sich, irgendwas tun zu können, um diesen Familien beizustehen. Irgendwas!“
    „Aber die Familie … das Mädchen. Diese Lina …“, nun war Nick ehrlich betroffen. „Ich meine, sie haben doch Pfaffen und Seelenklempner und so Leute. Irgendwelche Spezialisten. Oder nicht?“
    „O ja, die haben sie. Aber Lina spricht nicht mit ihnen. Doktor Schilling, ihr Psychologe, vermutet, sie wird auch künftig mit keinem Erwachsenen reden. Nicht mit ihm, ihren Eltern oder jemandem vom Jugendamt. Und auch nicht mit Marion oder Thomas. Doktor Schilling meint, so weit er es beurteilen kann, hat aller Voraussicht nach ein Erwachsener ihre seelische Erschütterung verursacht, indem er ihr den Bruder genommen hat. So beurteilt Lina es zumindest. Daher traut sie keinem von ihnen mehr.“
    „Das ist Schwachsinn! Eine fixe Idee.“
    „Nicht für sie“, warf sein Vater ein.
    Sie schwiegen.
    Nick erinnerte sich, in den Zeitungen und den Nachrichten von Jan gehört zu haben. Er war klein für sein Alter, hatte es geheißen. Klein und schmächtig. Nicht so groß und kräftig wie er selbst. Aber er hatte die gleichen dunkelblonden Haare wie Nick, dazu ganz ähnliche hellgraue Augen. Das sah man auf dem Foto, das durch die Presse geisterte. Darauf lächelte der Junge nicht. Ernst schaute er in die Kamera. Als ob er sein Schicksal geahnt hätte.
    Was machte er wohl in genau dieser Minute durch?
    Scheiße!
    „Hat Lina keine Freundin?“
    „Doch, eine. Sie ist in den Urlaub geflogen, für sechs Wochen nach Kanada. Sonst keine richtige. Lina lebt in einem Dorf, ein ziemliches Nest. Da gibt es nicht viele Gleichaltrige. Deswegen war Lina sehr viel mit ihrem Bruder zusammen.“
    Scheiße, dachte Nick wieder. Das hört sich so an, als ob sie mich wirklich brauchen könnten.
    „Ich weiß nicht, ob ich so was bringe, Mama.“
    „Warum nicht?“
    „Sie ist ein Mädchen. Mit denen kenne ich mich nicht gerade gut aus.“ Er spürte, dass er Drachenohren bekam, weil er blödsinnigerweise an Katharina denken musste, die sich stets über ihn zu amüsieren schien und bei der er nie wusste, was er sagen sollte, wenn er ihr über den Weg lief und deren Küsse, wie er wusste, nach Pfefferminz schmeckten.
    „Das macht doch nichts“, entkräftete seine Mutter den Einwand. „Du sollst ihr keine Ersatzfreundin sein. Sondern ein guter Freund, ein Junge, wie Jan. Bestenfalls sieht sie dich als eine Art Bruderersatz und wendet sich dir zu. Sei einfach du selbst.“
    Er nickte verständiger als er sich fühlte. „Na ja. Und ich
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