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Der Sommer des glücklichen Narren

Titel: Der Sommer des glücklichen Narren
Autoren: Danella Utta
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Justizpalastes zu. Offenbar ging das Leben also weiter. Ich konnte mir nur noch nicht vorstellen, wie. Ganz demnächst würde ich einmal darüber nachdenken müssen.
    Übrigens war Rosalind auch sehr ernst. Sie blickte ein wenig abwesend vor sich hin, und als ich sie mit einem vorsichtigen Seitenblick streifte, bildete ich mir sogar ein, eine Träne in ihrem Augenwinkel zu sehen. Vielleicht täuschte ich mich aber.
    Es war alles ganz schnell und reibungslos gegangen, Rosalind hatte einen tüchtigen Anwalt, und ich hatte alle Schuld auf mich genommen. Lix, unsere Tochter Angelika, war natürlich Rosalind zugesprochen worden.
    Schuld? Hatte ich Schuld auf mich geladen? Vielleicht! Sicher sogar, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinn. Ich hatte Rosalind nie betrogen. Nie, nie, und ich hätte es auch nach dreißigjähriger Ehe nicht getan. Wie kann man sich für andere Frauen interessieren, solange Rosalind in der Nähe ist. Ein ganzes Heer von Schönheitsköniginnen wäre machtlos dagegen. Rosalind konnte einen Mann beschäftigen bis zum letzten Atemzug.
    Das würde Konrad schon noch entdecken.
    Konrad war der Mann, den Rosalind nach einer schicklichen Pause heiraten würde.
    Konrad Killinger, Chef von Killinger AG, dreiundfünfzig Jahre alt und – nach Rosalinds Schilderung – groß und stattlich, mit einem interessant geschnittenen, männlichschönen Gesicht, breiten Schultern, erstklassigen Maßanzügen, einem Mercedes 300 und einer Villa in Harlaching. Mit einem Wort, das reine Gegenteil von mir.
    Vielleicht wäre das der richtige Moment, mich vorzustellen, dann habe ich es hinter mir. Wie gesagt, kein Vergleich mit Konrad. Ich bin fast vierzig Jahre alt, nur mittelgroß, sehr schlank, und, das möchte ich denn doch betonen, ein guter Schwimmer, ein ordentlicher Reiter, ein standfester Skiläufer und ein ausdauernder Radfahrer. Jawohl! Mein Gesicht ist ganz durchschnittlich, von Beruf bin ich Schriftsteller. Nicht sehr erfolgreich. Und außerdem heiße ich Adolf. O nein, nicht deswegen. Als ich geboren wurde, war es noch nicht peinlich, Adolf zu heißen, und mein Taufpate hieß nun eben mal so. Adolf Schmitt, so lautet mein voller Name. Ist es möglich, daß jemand Karriere macht, der Adolf Schmitt heißt? Wohl kaum.
    Rosalind nannte mich immer Dodo. 1946, als wir uns kennenlernten, konnte man einfach nicht Adolf heißen. An Dodo habe ich mich auch nie recht gewöhnen können. Es kam mir so kindisch vor. Als sie mir verkündete, daß sie diesen Menschen, diesen Killinger, heiraten würde, dachte ich schadenfroh: Ob sie ihn wohl Coco nennen wird? Aber auf die Idee kommt bei diesem Mann wohl keiner, nicht einmal Rosalind.
    Als wir durch die Tür des Justizpalastes ins Freie traten, schob Rosalind ihren Arm unter meinen. Sie lächelte mich an, gar nicht mehr traurig.
    »Nun?« sagte sie.
    »Ja«, erwiderte ich ein bißchen dämlich, »das wär's denn.«
    »Das wär's denn«, wiederholte Rosalind in sachlichem Ton. »Immer gut, wenn man so was hinter sich hat. Geschichten mit Behörden regen mich immer auf. Aber der Richter war sehr nett, nicht?«
    »Sehr.«
    »Mir ist etwas flau im Magen«, fuhr sie fort. »Damals war das auch so, als wir heirateten.«
    »Nein, wirklich?« staunte ich. »Davon habe ich nichts gemerkt.«
    »Du merkst nie etwas.« Sie blickte einen kleinen Moment nachdenklich in den seidenblauen Himmel hinauf, der sich selig und unberührt über dem Stachus wölbte, als blicke er nicht auf eine wildbewegte, laute Großstadt mittags um zwölf Uhr, sondern auf die weltferne Lichtung vor dem Waldhaus.
    »Ein wunderbarer Tag«, meinte Rosalind. »Ist das nun eigentlich das richtige Wetter, um sich scheiden zu lassen?«
    »Offenbar doch«, sagte ich und blickte schnell zum Himmel. Ganz fern, ganz hoch zog ein winziges, silbernes Insekt eine weiße Spur in die blaue Seide. Ein Düsenflugzeug. Wir lebten also wirklich im zwanzigsten Jahrhundert. Manchmal vergaß ich das.
    »Als wir heirateten«, hing Rosalind weiter ihren Erinnerungen nach, »war mir auch ein bißchen komisch. Und ich hatte Hunger.«
    »Kein Wunder damals. Da hatten wir immer Hunger.«
    Rosalind warf mir unter hochgezogenen Brauen einen kurzen Blick zu.
    »Du bist ein Trottel, Dodo«, sagte sie freundlich. »Nicht so einen Hunger. Sondern Hunger aus seelischer Erregung. Das ist etwas anderes.«
    Ich zog meinen Arm aus dem ihren, wendete mich ihr voll zu und fragte erstaunt: »Du willst doch nicht etwa behaupten, daß es dich seelisch erregt
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