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Der Sommer des glücklichen Narren

Titel: Der Sommer des glücklichen Narren
Autoren: Danella Utta
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erstklassige Artikulation angewöhnt.
    Ihre Augen sind klar, ihr Haar ist weiß, sie färbt es nicht, aber sie war heute beim Friseur und sieht ausgesprochen wohlsituiert aus in ihrem hellgrauen Seidenkleid, das um den Hals eine feudale Perlenstickerei aufweist.
    Um nun endlich die Tischrunde vollständig vorzustellen und auch den Anlaß dieser festlichen Zusammenkunft zu verkünden, fahre ich fort und berichte …
    Doch da unterbricht mich mein Verleger.
    »Mein lieber Freund«, sagt er, damit meint er mich, woraus jeder entnehmen kann, daß ich kein ganz erfolgloser Schriftsteller bin, »mein lieber Freund, ich finde es so schön, daß wir die ganze Familie hier versammelt haben, um ein bißchen zu feiern. So ein reizendes Familienleben haben nicht alle meine Autoren aufzuweisen.«
    Ich muß grinsen.
    »Was ein Glück für dich ist«, sage ich. »Das wäre ein teurer Spaß, wenn jeder Autor soviel Familie auf die Beine brächte.«
    Denn natürlich muß der Verleger das alles bezahlen. Das ist so der Brauch, wenn Verleger mit Autoren essen gehen, das gehört zu ihrem Geschäft.
    Seine Frau, die rechts von mir sitzt, lacht.
    »Da ist was dran«, sagt sie.
    Ich warte eine Weile ab, ob der Verleger eine Rede halten will, ist aber nicht der Fall, war nur eine Bemerkung. Rede kommt später. Ich werde auch eine halten. Nach dem Dessert. Vor dem Dessert. Mal sehen.
    Aber um noch mal darauf zurückzukommen, was wir hier feiern mit Kind und Kegel, Frauen, Mutter und sonstigem Zubehör, ist folgendes …
    Nein, so geht es nicht.
    Ich bin kein richtig moderner Autor und bin es gewöhnt, eine Geschichte von vorn zu beginnen.
    Nicht ganz von vorn, nicht direkt bei meiner Geburt, keine Bange. Aber gehen wir ein paar Jahre zurück, fünfzehn, siebzehn Jahre etwa? Ja?
    Das war ein Tag im Mai. Hier in München. Eine schöne Zeit war das. In Bonn regierte noch der Adenauer, das Wirtschaftswunder stand in voller Blüte, es gab nicht soviel Fernsehen, dafür aber noch hübsche Filme, die Röcke der Damen waren nicht zu kurz und nicht zu lang, so gerade richtig, wie ich es gern habe, die jungen Leute hatten keine langen Haare und machten keine Demonstrationen, richtig unzufrieden war eigentlich niemand, denn sooo lange lag der Krieg auch nicht zurück, daß man nicht gewußt hätte, wie mies das Leben sein kann, wenn es wirklich mies ist, es gab keine Terroristen, keiner wurde entführt, Banken nur von echten Bankräubern sehr selten beraubt, Menschenleben wurden irgendwie wichtig genommen, Leute einfach niederschlagen, niederschießen, kaputtmachen war absolut nicht Mode, und wenn es mal vorkam, wurde es bestraft, Rauschgift kam nur in Kriminalfilmen vor, aus den Illustrierten sprangen einem noch nicht die nackten Busen und Popos mitten ins Gesicht, was ein Grund war, sich privat mehr für einen hübschen Busen und einen runden Popo zu interessieren, es gab keinen Wohlstandsekel, keine Untergangsstimmung, keinen Leistungszwang, es gab eben geradesoviel Neid, Bösartigkeit und Gehässigkeit, wie sie Menschen zu allen Zeiten füreinander empfinden, aber es hielt sich in normalen Maßen – kurz und gut, es war so eine richtig gute alte Zeit. Auch wenn es gar nicht lange her ist. Die paar Jahre, die vergangen sind, kaum der Rede wert. Man könnte meinen, ein Jahrhundert liege dazwischen, aber es ist nur reichlich ein Jahrzehnt. Ein und ein halbes genau. Was für eine rundherum glückliche Zeit war es für dieses Land und für dieses Volk!
    Allerdings war für mich gerade dieser Tag im Mai kein glücklicher Tag.

Geliebte Rosalind
    Rosalind sah wie immer bezaubernd aus. Sie trug ein schwarz-weißes Kleid, sehr elegant und seriös, dem ernsten Vorgang angepaßt, dazu ein winziges weißes Strohhütchen und an den schlanken Beinen hochhackige Pumps. Ich brauchte sie gar nicht anzusehen, als sie neben mir den langen Gang entlangging, ich wußte, wie schön sie war. Ob ich jemals aufhören würde, sie zu bewundern? Jemals aufhören konnte, sie zu lieben? Vermutlich nicht. Und die Tatsache, daß wir vor einer Viertelstunde geschieden worden waren, schien nichts daran zu ändern. Mir war ziemlich benommen zumute.
    Ich hatte Angst gehabt vor diesem Tag. Alles würde zu Ende sein mit dem Tag, mit der Stunde, da Rosalind endgültig von mir getrennt sein würde. So hatte ich gedacht. Nun war es passiert, und ich lebte immer noch und bewegte mich ganz gelassen neben der Frau, die vierzehn Jahre lang meine Frau gewesen war, auf den Ausgang des
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