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Der Sommer des glücklichen Narren

Titel: Der Sommer des glücklichen Narren
Autoren: Danella Utta
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Rosalind liebte, und zudem noch ständig ein schlechtes Gewissen hat, weil er einer so bildhübschen Frau fast keinen ihrer Wünsche erfüllen kann? Er überlegt, rechnet, spart und sagt eines Tages: »Weißt du was, Liebling? Heute abend gehen wir mal zum Abendessen zu Humplmayr.«
    Ein Jubelschrei, ein Kuß, verzweifelter Blick in den Kleiderschrank, Friseur.
    So war das damals vor … vor … Zeit, du gefräßiges Ungeheuer, wie lange ist das her? Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig Jahre etwa würde ich schätzen.
    Rosalind, die es auch nicht gewöhnt war, Luxusrestaurants zu besuchen, machte ihre Sache gut. Frauen haben ja dafür ein angeborenes Talent. Anmutig schritt sie hinter dem Oberkellner her, setzte sich auf den zurechtgerückten Stuhl – damals sah das hier ein bißchen anders aus, ein paarmal haben sie natürlich inzwischen umgebaut und umdekoriert, aber ein sehr vornehmes Lokal war es immer –, sie sah sich mit glänzenden Augen um, strich eine dunkle Locke zurecht und vertiefte sich in die Speisekarte. Das tat ich auch, und zwar tat ich es zunächst auf der rechten Seite. Gott steh mir bei! Ich überzählte im Geist nochmals meine Barschaft, aber dann dachte ich: Sei's drum! Einmal ist keinmal. Und wenn ich alles ausgebe bis zum letzten Pfennig.
    So schlimm war's dann gar nicht. Gemessen an heutigen Preisen – du lieber Himmel!
    Wir suchten beide nicht das Teuerste aus, weder Austern noch Hummer, wir hätten gar nicht gewußt, wie man damit umgehen soll. Aber ich weiß noch, daß es uns großartig geschmeckt hat und daß wir beide hochbefriedigt waren. Der Unterschied zwischen uns beiden bestand darin, daß ich ohne Luxuslokale leben konnte. Rosalind nicht. Aber davon später.
    Ob sie wohl noch daran denkt?
    Ich schaue sie an, und sie gefällt mir immer noch. Es liegen eine ganze Reihe von Jahren zwischen jenem und dem heutigen Abendessen, und Rosalind ist nun immerhin auch schon – o nein. Schweigen. Einer Frau soll man ihr Alter nie nachrechnen, das ist die unfeinste aller unfeinen Taten, außerdem, und das ist die reine Wahrheit, sieht sie wundervoll aus. Ihr Make-up ist vollendet, das Haar hat einen leichten Kupferschimmer jetzt, was ihr gut steht, das Kleid, das sie trägt, ist weit und breit das eleganteste. An ihrer Hand blitzt es, an ihrem Hals auch, und es blitzt echt. Zwölf Austern verspeist sie jetzt im Handumdrehen, und nun … nun treffen sich unsere Blicke.
    Was denkt sie? Ähnliches wie ich? Oder denkt sie gar nicht mehr daran?
    Ein kleines Lächeln in ihrem Mundwinkel, sie läßt den Blick über die Tischrunde gleiten, lächelt etwas ausdrucksvoller meinem Verleger zu, er hebt sein Glas, sie nimmt das ihre, sie trinken beide. Ich weiß, daß er eine Schwäche für sie hat, aber welcher Mann wäre ihr gegenüber je gleichgültig geblieben?
    Jetzt sieht sie mich wieder an.
    »Ein schnieker Laden, Sebastian hat recht. Ist immer noch hübsch hier«, sagt sie. »Weißt du noch, wie wir das erstemal hier waren?«
    Sie erinnert sich also doch. Das freut mich, das freut mich unheimlich. (Unheimlich ist ein Lieblingswort von Florian.)
    Sie erzählt der Tischrunde von unserem ersten Ausflug in die Welt der feinen Leute, sie tut das sehr hübsch, mit kleinen Pointen, mit etwas Ironie, und berichtet auch noch, daß ich ihr im Verlauf des Abends drei Rosen kaufte, als die Blumenfrau durch das Lokal kam. Sieh mal an, das hätte ich gar nicht mehr gewußt.
    »Drei Rosen«, staune ich. »Ich muß mir vorgekommen sein wie Gunter Sachs.«
    Meine Söhne gackern, und ich sehe, wie Muni lächelt. Ein wenig wehmütig, aber nicht ohne Stolz. Sie ist mit dem Ablauf meines Lebens, so wie es sich in den letzten Jahren entwickelt hat, ganz zufrieden.
    »Lümmel dich nicht so«, sagt sie dann streng über den Tisch hinweg zu ihrem Enkelsohn Florian.
    Worauf das blaue Samtjackett sich ordentlich hinsetzt und die Ellenbogen vom Tisch nimmt.
    O nein, auch als Oma ist Muni kein sanftes Lämmchen. Die Buben kriegen nichts anderes zu hören, als ich zu meiner Zeit zu hören bekam. Und bei gegebenem Anlaß auch heute noch zu hören bekomme.
    Auch über Munis Alter wollen wir nicht reden, auch sie ist eine Frau. Sie ist gesund, Gott sei gedankt, bißchen Arthritis im Knie, bißchen schwerhörig, was sie ärgert und was sie kaschiert, so gut es geht.
    »Nuschel nicht«, sagt sie zu mir, wenn sie mich nicht verstanden hat, und ich habe mir in den letzten Jahren zu meinem sowieso sonoren Bariton noch eine
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